Von der Werkstätte zum Weltkonzern (Teil 2)

Unternehmensgeschichte von ZEISS

Anlässlich des 175-jährigen Firmenjubiläums bietet ZEISS in den Bereichen Jagd und Naturbeobachtung mit einer historischen Artikelserie zur Unternehmensgeschichte sowie deren Einfluss auf die Entwicklung der Innovationen und heutiger Technologien einen spannenden Rück- und Ausblick auf das Unternehmen und seine Historie.

Der Erste Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg waren Jahre des Auf und Ab. Mit der Teilung Deutschlands wurden aus dem weltberühmten ZEISS Werk in Jena zwei Firmen: das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena und Carl Zeiss West Germany in Oberkochen. Es folgten Konfrontation, Koexistenz und schließlich Wiedervereinigung der beiden ungleichen Unternehmen. Und nun der Reihe nach …

Der erste Weltkrieg unterbrach die Arbeit an den Zivilgeräten. ZEISS fertigte fast ausschließlich Produkte für den militärischen Gebrauch – allen voran Ferngläser und Entfernungsmesser. Ab 1917 wurden die ersten Weitwinkel-Okulare in Ferngläsern verbaut, welches auf einer Entwicklung des Konstrukteurs Heinrich Erfle basierte. 1920 kam das ZEISS Zielacht auf den Markt – das erste Zielfernrohr mit achtfacher Vergrößerung und einer für die damalige Zeit bemerkenswerten Dämmerungsleistung. Nur zwei Jahre später folgten die ersten Zielfernrohre mit variabler Vergrößerung: Zieldovier und Zieldosechs. In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft richtete ZEISS das wissenschaftliche und produktionstechnische Potenzial zunehmend auf die kriegswirtschaftlichen Erfordernisse aus.

Während dieser Zeit beflügelten nicht nur neue Konstruktionen die Branche – vermeintlich kleine Entwicklungen sollten die Produkte entscheidend prägen und zum Garanten der technischen Vorreiter-Rolle von ZEISS werden. Ab 1933 setzte man vorwiegend Leichtmetalle ein, um Messing und Zink im Gehäusebau abzulösen. 1935 entwickelte der ZEISS Ingenieur Dr. Alexander Smakula eine Antireflexbeschichtung, mit der sich die Lichtdurchlässigkeit der Ferngläser um 50 Prozent steigern ließ – diese „Transmission-Beschichtung“wird durch ein T* gekennzeichnet und bestimmt den herausragenden Ruf der ZEISS Optiken bis heute.

Die Patentschrift der Firma Carl Zeiss für die Erfindung ZEISS T*Vergütung.©ZEISS Archiv

Im Sommer 1945 brachten amerikanische Truppen führende ZEISS Wissenschaftler und entscheidende Konstruktionsunterlagen in den Westen Deutschlands, wodurch das wissenschaftliche Potenzial des Ostens enorm geschwächt wurde. Im württembergischen Oberkochen bauten die ehemaligen Jenaer Mitarbeiter ein neues Unternehmen auf. In Jena begann der Wiederaufbau im Sommer 1947.

Aufbau des ZEISS Werks in Oberkochen nach dem Zweiten Weltkrieg. ©ZEISS Archiv

In den späten 1940er und während der 1950er Jahre wurde nicht nur das traditionelle Fertigungsprogramm an beiden ZEISS-Standorten wieder aufgenommen – die Wissenschaftler und Konstrukteure beider Unternehmen wandten sich auch neuen Entwicklungsfeldern zu. Beispiele dafür waren die Elektronenmikroskope oder das Kernspurmikroskop, welches Jena für das bei Moskau gelegene Kernforschungsinstitut baute. Beide Betriebe produzierten zudem wieder astronomische Großgeräte.

Das Oberkochener Unternehmen wurde immer erfolgreicher. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der politische Ton zwischen Ost und West verschärfen sollte. Im Osten bestimmten immer mehr Partei und Staat die Linie und vor allem den Außenhandel. 1953 wurde das Ende der Zusammenarbeit zwischen Jena und Oberkochen erzwungen. Weltweit dauerten die Auseinandersetzungen um die Warenzeichen bis 1989 an.

Nach der deutschen Wiedervereinigung kam man wieder zusammen, organisatorisch und strategisch, jedoch zogen die Zeissianer noch nicht an einem Strang. Das vereinigte Unternehmen geriet Mitte der 1990er Jahre in eine Krise. Durch tiefe Einschnitte bei der Mitarbeiterzahl und beim Produktsortiment gelang es, ZEISS wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Viele sind sogar der Meinung, dass nur die konsequente Sanierung Carl Zeiss vor dem Ruin gerettet hat. Zugpferd der Entwicklung war allen voran die Halbleitertechnik, die enorme Wachstumszahlen vorwies. Neben dem Bereich Halbleiter boomte auch die Industrielle Messtechnik. 1999/2000 zeigte sich dann endgültig der nachhaltige Effekt der Umstrukturierungen.

2004 trat – nach langen Verhandlungen – die Reform der Carl-Zeiss-Stiftung in Kraft und das Unternehmen wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die zu 100 Prozent der Stiftung gehört. Heute ist die Carl Zeiss AG eine Holding, die mehrere Tochterunternehmen umfasst. Neben Oberkochen und Jena sind Wetzlar und Göttingen in Deutschland, Dublin und Minneapolis in den USA und Shanghai in China die wichtigsten Produktionsstandorte weltweit. Wetzlar ist als Zentrum der Optik und Feinmechanik durch Moritz Hensoldt seit 1928 durch den Aufkauf der Carl-Zeiss-Stiftung die deutsche Produktionsstätte der ZEISS Ferngläser, Zielfernrohre und Spektive.

Nach langen Verhandlungen konnte 2004 die Reform der Carl-Zeiss-Stiftung unterzeichnet werden. ©ZEISS Archiv

Welche wegweisenden Entwicklungen in der Optik durch ZEISS entstanden sind und wie diese heutige Technologien prägen, beleuchten wir im nächsten Teil der Serie.

Von der Werkstätte zum Weltkonzern (Teil 1)

Unternehmensgeschichte von ZEISS

Anlässlich des 175-jährigen Firmenjubiläums bietet ZEISS in den Bereichen Jagd und Naturbeobachtung mit einer historischen Artikelserie zur Unternehmensgeschichte sowie deren Einfluss auf die Entwicklung der Innovationen und heutiger Technologien einen spannenden Rück- und Ausblick auf das Unternehmen und seine Historie.

1846 von Universitätsmechanikus Carl Zeiss als kleine Optikschmiede in Jena gegründet, gehört ZEISS heute zu den wichtigsten optischen und feinmechanischen Unternehmen in der Welt. Die Unternehmensgeschichte spiegelt die deutsche Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen wider – und ist ein Paradebeispiel und Vorreiter für ein erfolgreiches Start-up.

Mit einem Startkapital von 100 geliehenen Talern eröffnete Carl Zeiss am 17. November 1846 eine Werkstätte nebst kleinem Laden für Feinmechanik und Optik in der Jenaer Neugasse Nr. 7. Zunächst konstruierte, reparierte und optimierte der Mechaniker im Alleingang wissenschaftliche Geräte und Instrumente. Darüber hinaus bot er unter anderem Brillen, chemische Waagen, Reißzeuge und Fernrohre an. Bereits ein Jahr später begann er mit der Fertigung einfacher Mikroskope. In dem Physiker Ernst Abbe fand Carl Zeiss 20 Jahre später schließlich den Mann, der die Bildentstehung im Mikroskop auf eine mathematisch-wissenschaftliche Grundlage stellte und damit revolutionierte. Als vorausschauender Unternehmer erkannte Zeiss das innovative Potenzial Abbes und machte ihn zum stillen Teilhaber.


Mit einem Startkapital von 100 geliehenen Talern eröffnete Carl Zeiss am 17. November 1846 seine Werkstätte in der Jenaer Neugasse Nr. 7. Federzeichnung ©ZEISS Archiv

Die auf Abbes Entwürfen und Theorie basierenden Mikroskope fanden reißenden Absatz. Ende der 80er Jahre verlor das Unternehmen von Zeiss endgültig den Charakter einer Werkstätte. Die ZEISS-Belegschaft zählte zu diesem Zeitpunkt 360 Arbeiter und Betriebsbeamte. 1884, Zeiss ging inzwischen auf die 70 zu, gründete Abbe mit dem Glaschemiker Otto Schott das „Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen“, heute besser bekannt als SCHOTT AG. Die Zusammenarbeit von Zeiss, Abbe und Schott ermöglichte die Serienfertigung leistungsstarker Mikroskope in gleichbleibender Qualität. 1886 stellte ZEISS das 10.000ste Mikroskop her. Kurz danach (1888) starb Carl Zeiss – das moderne Zeitalter der bahnbrechenden Entdeckungen in der Mikroskopie war jedoch längst angebrochen – und Jena war sein geistiges und technologisches Zentrum. Die Universitätsstadt im thüringischen Saaletal gilt als Wiege der optischen Industrie. 1889 schuf Abbe die Carl-Zeiss-Stiftung, um das gemeinsam mit seinem Partner geschaffene Werk langfristig zu sichern. Sie ist heute nicht nur eine der größten deutschen Stiftungen zur Förderung der Wissenschaft, sondern auch eine der ältesten und bekanntesten unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland.

Zu den Pionieren gehörte ZEISS auch in puncto Arbeitszeit: Bereits 1875 gründeten Zeiss und Abbe die ZEISS Krankenkasse. Ein Novum, denn sie garantierte freie ärztliche Behandlung. 1900 führte ZEISS als erstes größeres Unternehmen in Deutschland den Acht-Stunden-Tag ein. Unter der Mitarbeit kreativer Wissenschaftler und Ingenieure erweiterte Abbe die Produktionspalette des Unternehmens zusehends unter anderem um Entfernungsmesser und Geräte der Bildmesstechnik, fotografische Objektive, Relieffernrohre, Periskope und Feldstecher. Am 9. Juli 1893 meldete ZEISS das Patent für ein „Doppelfernrohr mit vergrößertem Objektivabstand“ an, in dem je zwei Teilprismen das Licht in zwei monokulare Teleskope leiten. Damit schuf das Unternehmen die Basis für jenes klassische Fernglas-Design, wie wir es heute kennen. Die ersten marktreifen Modelle wurden bereits ab 1894 in Jena gefertigt. Bis zum Januar 1900 konnten 20.000 Feldstecher verkauft werden. Nach der Jahrhundertwende weckte die in den 90er Jahren gegründete Abteilung „Astro“ mit ihren Aussichtsfernrohren das öffentliche Interesse. Das ZEISS-Werk machte sich mit den ersten Großgeräten, dem Spiegelteleskop für die Sternwarte Heidelberg und dem damals lichtstärksten Instrument für die Sternwarte Innsbruck in der Fachwelt der Astronomie einen Namen. 1908 wurde das Fertigungsprogramm des Jenaer Unternehmens um geodätische Geräte erweitert. Etwa zeitgleich wurde mit der Entwicklung und Herstellung von Brillen und von Messgeräten für die Augenheilkunde begonnen. Im Juni 1914 beschäftigte das ZEISS-Werk 5.280 Menschen.

Mit der Patentanmeldung 77068 „Doppelfernrohr mit vergrößertem Objektivstand“ entstand die Basis jenes Fernglas Design, wie wir es heute kennen. ©ZEISS Archiv

Auch mit dem Ersten Weltkrieg brach das hohe Tempo technischer Meilensteine bei ZEISS nicht ab. Im zweiten Teil beleuchten wir die ZEISS-Chronik des 20. Jahrhunderts, die die deutsche Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen widerspiegelt und die wegweisenden Entwicklungen der Optik aufzeigt.