Falknerei: Die Herrscher der Lüfte

Ein Interview mit Sandra Jung, der jüngsten selbstständige Falknerin Deutschlands

Wie bist Du zur Falknerei gekommen?Ich bin tatsächlich ganz zufällig zur Falknerei gekommen. Als ich 16 Jahre alt war, hat mich eine Freundin mit in eine Flugshow genommen. Ich war von der ersten Sekunde an fasziniert von den Greifvögeln. In derselben Falknerei habe ich viele Jahre als Helferin in meiner Freizeit gearbeitet.

Was bedeutet Dir die Falknerei?Die Falknerei ist heute einer der Grundpfeiler meiner Existenz. Ich lebe für die Falknerei, so kitschig das auch klingen mag. Meine Arbeit und meine Freizeit drehen sich um Greifvögel und ich bin rundum zufrieden damit. Ein Leben ohne diese Tiere mag ich mir nicht vorstellen und ich hoffe und wünsche mir sehr, dass das so bleibt.

Was war Deine Intention, ein Buch zu schreiben?Der Verlag ist an mich herangetreten. Ich selbst hätte es mir gar nicht träumen lassen, dass ein solches Interesse an meiner Geschichte besteht. Während des Schreibens war es mir wichtig, ein schönes, rundes Bild von der Falknerei zu vermitteln, ohne zu sehr in die Materie abzutauchen, damit es auch für Falknereineulinge und Laien interessant ist. Ich denke, dass mein Buch ein schöner Anreiz dazu ist, seine Träume zu verfolgen und an sich selbst zu glauben.

Worum geht es in dem Buch?Das Buch begleitet mich von meinem ersten Kontakt mit diesen wundervollen Tieren bis zur eigenen Falknerei am heutigen Tage. Es werden Höhen und Tiefen beschrieben – einen linearen Weg geht man wohl niemals – und vor allem geht es darum, dass man muss sich selbst treu bleiben und seine Wünsche niemals hinten anstellen sollte.

Kann man Dich und Deine Vögel live erleben?Natürlich. Die Falknerei auf der grandiosen Burg Greifenstein in Thüringen (bei Saalfeld) hat für Gäste von April bis Oktober geöffnet.

Wie verbindest Du Jagd und Falknerei?Ich jage sowohl mit der Waffe als auch mit dem Vogel. Die Jagd ist eine willkommene Abwechslung zur harten Arbeit während der Saison. Im Winter heißt es deshalb: ganz entspannt mit dem Steinadler auf Beize. Da gibt es dann nur mich und den Vogel – keine Zuschauer und keine Erwartungen. Ich weiß aber auch während des gesamten Jahres die Ruhe auf dem Ansitz zu schätzen, um einfach mal runterzukommen und durchzuatmen. In Wald und Feld läuft die Zeit einfach langsamer. Ich brauche diese Auszeiten.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?Ich hoffe natürlich, dass ich diesen Job noch viele, viele Jahre ausführen kann. Zudem wünsche ich mir sehr, dass alle Tiere glücklich und gesund bleiben und uns die Zuschauer auch weiterhin auf Burg Greifenstein besuchen werden.

Beizsaison auf Krähen

Sandra Jung und Harris Hawk Dexter auf der Jagd

Seit dem 1. August hat die Beizsaison auf Krähen wieder begonnen. Mit meinem Harris Hawk Terzel Dexter gehe ich dieser Jagdart sehr passioniert nach. Terzel, so bezeichnet der Falkner die männlichen Greifvögel, da diese im Schnitt ein Drittel (lateinisch tertium) kleiner sind, als die weiblichen Exemplare. Übertragen auf die Beizjagd auf Flugwild hilft uns Falknern hierbei das geringere Körpergewicht und die daraus resultierende, größere Wendigkeit der Terzel.

Krähen sind sehr schlaue, geschickte und schnelle Flieger. Damit mein Bussard Dexter überhaupt eine nennenswerte Chance auf die schwarzen Vögel hat, gebe ich ihm aus dem Auto etwas Geschwindigkeit mit.

SANDRA JUNG

Man darf den Flug des Harris Hawks nicht mit dem des Habichts verwechseln. Ein Habicht hat durch eine andere Flügelform für die Krähenjagd deutlich bessere Voraussetzungen. Er ist von Natur aus schneller und wendiger als ein Bussard.

Einen großen Vorteil, den der Harris Hawk genießt, ist seine Herkunft. Als Mittelamerikaner ist er unseren heimischen Krähen nicht „bekannt“. Startet Dexter also aus dem Auto auf Krähen, verstehen diese oftmals nicht direkt, was da für eine „Gefahr“ auf sie zufliegt – ein großer Vorteil für Dexter. Ganz anders verhält dies sich wiederum beim Habicht.

Er zählt zu den Hauptfeinden der Krähen in Deutschland. Aus diesem Grund wird ein Habicht von den Rabenvögeln unmittelbar wahrgenommen und eine Warnung ausgerufen sowie die Flucht eingeleitet.

Für die Jagd auf Krähen mit dem Vogel aus einem fahrenden Auto braucht man große, weitläufige Reviere. Krähen sind unheimlich intelligente Tiere; Fahrzeug und Fahrer werden nach einigen Jagdflügen oft schon von Weitem erkannt. Daher ist es von großem Vorteil, wenn man von Zeit zu Zeit das Revier und auch das Fahrzeug wechseln kann.

Ist Dexter einmal aus dem Auto gestartet, beginnt er sofort, die passend sitzenden Rabenvögel anzujagen. Hierbei zeigt sich ein faszinierendes Naturschauspiel: Oftmals jagt Dexter nicht die für mich augenscheinlich am besten sitzende Krähe an, sondern ein anderes Tier aus der Gruppe. Woran liegt das? Mittlerweile habe ich festgestellt, dass genau die Tiere, die Dexter innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde anjagt und im Auffliegen schlägt, die kranken, schwachen oder unerfahrenen Tiere der Gruppe sind. Häufig haben diese Tiere Verletzungen an den Ständern, Gefiederschäden oder ähnliches. Durch die Jagd mit einem Greifvogel findet also nahezu eine ideale Selektion statt, diese ist einem Menschen in diesem Ausmaß gar nicht möglich: kranke und/oder schwache Tiere werden zielgenau der Natur entnommen und somit wird ein gesunder Wildbestand gefördert.

Der Jagdflug selbst ist meistens sehr spektakulär: Die Krähen nehmen Dexter häufig erst spät als Gefahr wahr. Sie fliegen also sehr spät auf und versuchen dem schon nahen Jäger der Lüfte mit wendigen Kurven oder plötzlichem Höhenverlust, Geschwindigkeitsänderungen oder anderen Flugmanövern zu entkommen. Der Harris Hawk versucht natürlich, diesen Manövern zu folgen: Oft klappt es, oft aber auch nicht. Ist die Krähe zu schlau und zu erfahren, hat Dexter keine Chance.

War einer dieser faszinierenden Jagdflüge erfolgreich, heißt es Hund raus und zum Vogel sprinten. Häufig hassen die übrigen Gruppenmitglieder auf den Bussard mit seiner Beute. Mein Vogelhund Balu eilt nun also zu seinem Partner und hält ihm die übrigen Krähen vom Leib.

Krähen sind sehr wehrhaft und mit ihren spitzen Schnäbeln nicht ungefährlich für einen sitzenden Greifvogel. Der Hund fungiert also als notwendiger Lebensretter des Beizvogels.

Bin ich selbst beim Vogel angekommen, fange ich gegebenenfalls die erbeutete Krähe ab und helfe Dexter, an das Wildbret zu kommen, indem ich ihn beim Rupfen unterstütze. Auf seiner Beute darf Dexter sich dann einen vollen Kropf fressen, damit meint der Falkner, dass der Beizvogel so viel aufnehmen darf, wie er möchte. Hiermit wird das positive Erlebnis des erfolgreichen Jagdfluges für den Beizvogel noch gekrönt: Gerne ist er beim nächsten Mal wieder bereit, alles für eine beutereiche Jagd zu geben.

Da diese Jagdflüge – auch einige erfolglose, bis tatsächlich ein Beutetier gebunden werden kann – sehr energieaufwendig sind, ist es unabdingbar, dass der Beizvogel sich in bester körperlicher Verfassung befindet: Ist er nicht wohlgenährt und gut trainiert sowie bemuskelt, so können schon wenige Fehlflüge zu einer absoluten Auszehrung des Vogels führen, mit dem Resultat, dass er nicht mehr jagen KANN, weil er zu schwach ist. Dies darf nicht passieren. Die tägliche Gewichtskontrolle des Beizvogels ist daher absolut notwendig, um seine Verfassung zu überprüfen.

Am Ende eines erfolgreichen Jagdtages kommt der Vogel in seine Voliere, wo er frisches Wasser angeboten bekommt. Nur wenn ein Greifvogel alles hat, was er benötigt, ist er auch weiterhin bereit, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Und das ist für mich persönlich das größte Glück auf Erden: Mit Greif und Hund die Jagd auszuüben und zu wissen, dass die Tiere mit einem gemeinsam ein unschlagbares Team bilden.

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Falknersglück im Rheinland

Eine einzigartige Beziehung zwischen Mensch und Tier

Falknerei und Jagd bedeuten für Sandra Jung, der Natur so nahe wie möglich zu sein. Ihre Leidenschaft für Greifvögel entdeckte sie bereits mit 16 Jahren, als sie begann, jedes Wochenende ehrenamtlich in einer Falknerei mitzuarbeiten. Das Grüne Abitur und den Falknerschein erlangte sie 2011.

Heute betreibt die BWL-Studentin gemeinsam mit ihrem Freund Benedikt Nyssen eine eigene kleine Greifvogelstation zwischen Köln und Düsseldorf. Mit dem Harris Hawk (Wüstenbussard) Dexter, benannt nach dem TV-Serienkiller Dexter Morgan, fing vor vier Jahren alles an. Inzwischen bereichern auch Harris Hawk Weib Tequila, Weißgesichtseule Linus, Sakerfalke Soraya, Schakalbussard Elise, Andenadler Kayla, Steppenadler Raja und Weißkopfseeadler Milo die Familie.

„Das Faszinierende an der Falknerei ist die einzigartige Mensch-Tier-Beziehung. Der Vogel ist ein freies Geschöpf. Man kann ihn zu nichts zwingen und trotzdem beschließt er, freiwillig mit einem zusammenzuarbeiten“, so Sandra Jung und lädt uns auf einen Reviergang ein.

Auf der Beizjagd erlebe ich, wie meine Vögel ihren natürlichen Instinkten folgen, sehe, wie sie mit Intelligenz und Geschick ihre Beute greifen. Das ist ein Wahnsinns Naturschauspiel!

Sandra Jung

Ein Wahnsinns Naturschauspiel

Im Wald demonstriert sie mit Dexter die sogenannte freie Folge. Bei dieser Jagdart folgt der Bussard Falknerin und Vogelhund „Balu”, ihrem einjährigen HS-Rüden, von Baum zu Baum. „Aus der erhöhten Position hat er einen weiträumigen Überblick und jagt selbst bestimmend”, lässt uns Sandra wissen und schwärmt: „Auf der Beizjagd erlebe ich, wie meine Vögel ihren natürlichen Instinkten folgen, sehe, wie sie mit Intelligenz und Geschick ihre Beute greifen.” Harris Hawks sind die einzigen Greifvögel, die im Verband leben und jagen. „Dadurch sind sie in der Lage, eine besonders enge Bindung zum Menschen aufzubauen.”

Bei der Frage nach ihrem schönsten Erlebnis muss Sandra Jung nicht lange überlegen: „Jeder Jagdflug, jeder Ansitz ist einzigartig. Es gibt die buntesten Situationen und Momente. Unvergessen bleiben für mich natürlich mein erstes Stück Wild, ein kleiner Spießer in der wunderschönen Eifel, und mein erstes Beizwild mit meinen Dexter. Er fing damals nach mehreren Versuchen seine erste Krähe und ich war unfassbar stolz auf ihn.”