Beizsaison auf Krähen

Sandra Jung und Harris Hawk Dexter auf der Jagd

Seit dem 1. August hat die Beizsaison auf Krähen wieder begonnen. Mit meinem Harris Hawk Terzel Dexter gehe ich dieser Jagdart sehr passioniert nach. Terzel, so bezeichnet der Falkner die männlichen Greifvögel, da diese im Schnitt ein Drittel (lateinisch tertium) kleiner sind, als die weiblichen Exemplare. Übertragen auf die Beizjagd auf Flugwild hilft uns Falknern hierbei das geringere Körpergewicht und die daraus resultierende, größere Wendigkeit der Terzel.

Krähen sind sehr schlaue, geschickte und schnelle Flieger. Damit mein Bussard Dexter überhaupt eine nennenswerte Chance auf die schwarzen Vögel hat, gebe ich ihm aus dem Auto etwas Geschwindigkeit mit.

SANDRA JUNG

Man darf den Flug des Harris Hawks nicht mit dem des Habichts verwechseln. Ein Habicht hat durch eine andere Flügelform für die Krähenjagd deutlich bessere Voraussetzungen. Er ist von Natur aus schneller und wendiger als ein Bussard.

Einen großen Vorteil, den der Harris Hawk genießt, ist seine Herkunft. Als Mittelamerikaner ist er unseren heimischen Krähen nicht „bekannt“. Startet Dexter also aus dem Auto auf Krähen, verstehen diese oftmals nicht direkt, was da für eine „Gefahr“ auf sie zufliegt – ein großer Vorteil für Dexter. Ganz anders verhält dies sich wiederum beim Habicht.

Er zählt zu den Hauptfeinden der Krähen in Deutschland. Aus diesem Grund wird ein Habicht von den Rabenvögeln unmittelbar wahrgenommen und eine Warnung ausgerufen sowie die Flucht eingeleitet.

Für die Jagd auf Krähen mit dem Vogel aus einem fahrenden Auto braucht man große, weitläufige Reviere. Krähen sind unheimlich intelligente Tiere; Fahrzeug und Fahrer werden nach einigen Jagdflügen oft schon von Weitem erkannt. Daher ist es von großem Vorteil, wenn man von Zeit zu Zeit das Revier und auch das Fahrzeug wechseln kann.

Ist Dexter einmal aus dem Auto gestartet, beginnt er sofort, die passend sitzenden Rabenvögel anzujagen. Hierbei zeigt sich ein faszinierendes Naturschauspiel: Oftmals jagt Dexter nicht die für mich augenscheinlich am besten sitzende Krähe an, sondern ein anderes Tier aus der Gruppe. Woran liegt das? Mittlerweile habe ich festgestellt, dass genau die Tiere, die Dexter innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde anjagt und im Auffliegen schlägt, die kranken, schwachen oder unerfahrenen Tiere der Gruppe sind. Häufig haben diese Tiere Verletzungen an den Ständern, Gefiederschäden oder ähnliches. Durch die Jagd mit einem Greifvogel findet also nahezu eine ideale Selektion statt, diese ist einem Menschen in diesem Ausmaß gar nicht möglich: kranke und/oder schwache Tiere werden zielgenau der Natur entnommen und somit wird ein gesunder Wildbestand gefördert.

Der Jagdflug selbst ist meistens sehr spektakulär: Die Krähen nehmen Dexter häufig erst spät als Gefahr wahr. Sie fliegen also sehr spät auf und versuchen dem schon nahen Jäger der Lüfte mit wendigen Kurven oder plötzlichem Höhenverlust, Geschwindigkeitsänderungen oder anderen Flugmanövern zu entkommen. Der Harris Hawk versucht natürlich, diesen Manövern zu folgen: Oft klappt es, oft aber auch nicht. Ist die Krähe zu schlau und zu erfahren, hat Dexter keine Chance.

War einer dieser faszinierenden Jagdflüge erfolgreich, heißt es Hund raus und zum Vogel sprinten. Häufig hassen die übrigen Gruppenmitglieder auf den Bussard mit seiner Beute. Mein Vogelhund Balu eilt nun also zu seinem Partner und hält ihm die übrigen Krähen vom Leib.

Krähen sind sehr wehrhaft und mit ihren spitzen Schnäbeln nicht ungefährlich für einen sitzenden Greifvogel. Der Hund fungiert also als notwendiger Lebensretter des Beizvogels.

Bin ich selbst beim Vogel angekommen, fange ich gegebenenfalls die erbeutete Krähe ab und helfe Dexter, an das Wildbret zu kommen, indem ich ihn beim Rupfen unterstütze. Auf seiner Beute darf Dexter sich dann einen vollen Kropf fressen, damit meint der Falkner, dass der Beizvogel so viel aufnehmen darf, wie er möchte. Hiermit wird das positive Erlebnis des erfolgreichen Jagdfluges für den Beizvogel noch gekrönt: Gerne ist er beim nächsten Mal wieder bereit, alles für eine beutereiche Jagd zu geben.

Da diese Jagdflüge – auch einige erfolglose, bis tatsächlich ein Beutetier gebunden werden kann – sehr energieaufwendig sind, ist es unabdingbar, dass der Beizvogel sich in bester körperlicher Verfassung befindet: Ist er nicht wohlgenährt und gut trainiert sowie bemuskelt, so können schon wenige Fehlflüge zu einer absoluten Auszehrung des Vogels führen, mit dem Resultat, dass er nicht mehr jagen KANN, weil er zu schwach ist. Dies darf nicht passieren. Die tägliche Gewichtskontrolle des Beizvogels ist daher absolut notwendig, um seine Verfassung zu überprüfen.

Am Ende eines erfolgreichen Jagdtages kommt der Vogel in seine Voliere, wo er frisches Wasser angeboten bekommt. Nur wenn ein Greifvogel alles hat, was er benötigt, ist er auch weiterhin bereit, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Und das ist für mich persönlich das größte Glück auf Erden: Mit Greif und Hund die Jagd auszuüben und zu wissen, dass die Tiere mit einem gemeinsam ein unschlagbares Team bilden.

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