Über Zieloptik

Warum ein Zielfernrohr?

Beim Zielen mit offener Visierung müssen drei Dinge in unterschiedlichen Entfernungen gleichzeitig scharf gesehen und exakt ausgerichtet werden: Kimme, Korn und Zielpunkt. Von älteren Jägern oder in der Dämmerung ist das kaum umsetzbar, und ein wirklich waidgerechter Schuss auf große Distanz kann so nicht angetragen werden.

Vorteile Zielfernrohr

Im Jagdalltag sind daher Zielfernrohre als Zielhilfe seit Jahrzehnten Standard und bieten zahlreiche, wichtige Vorteile. Das optische System liefert ein einziges Bild, das Wildkörper und Absehen gleichzeitig scharf und in einer Ebene zeigt. Das Auge muss nicht unterschiedliche Entfernungen abtasten, sondern konzentriert sich auf eine Bildebene. Dieses Bild befindet sich – optisch gesehen – im Unendlichen, d. h. das Auge schaut ganz entspannt ins Okular. Beim Einblick mit Brille daher immer den Bereich bzw. die Brille für den Fernbereich nutzen! Durch die Vergrößerung ist sicheres Ansprechen und ein sehr präzises Anhalten für den Schuss möglich.

Grundsätzlicher Aufbau

Wie beim Fernglas entwirft das „Objektiv“ ein seitenverkehrtes und kopfstehendes Zwischenbild. Die Lage des Bildes im Zielfernrohr bezeichnet man als „objektivseitige“ oder „erste Bildebene“. Dieses Bild durchläuft ein zweites Optiksystem (Umkehrsystem), wobei es nochmals gedreht wird und so in der „zweite Bildebene“ wieder aufrecht und seitenrichtig erscheint. Bei variablen Zielfernrohren können die Linsen des Umkehrsystems verschoben werden, sodass sich die Bildgröße in der zweiten Bildebene und damit die Vergrößerung des Zielfernrohrs ändert. Entgegen vielfachen Vorurteilen gibt es praktisch keine zusätzlichen Optikteile für die Zoom-Verstellung. Mit dem Okular als Lupe wird das Bild in der zweiten bzw. „okularseitigen Bildebene“ betrachtet. Um bei der Schussabgabe Augenverletzungen durch den Rückstoß zu vermeiden, sollte der AP-Abstand bei Zielfernrohren mindestens 80mm betragen.

Der grundsätzliche Aufbau eines Zielfernrohres.

Bei jagdlichen Zielfernrohren finden sich unterschiedliche Mittelrohr-Durchmesser, insbesondere 1 Zoll (25,4 mm), 30 mm oder 36 mm. Der größere Durchmesser bietet mehr Raum, um die Mechanik der Zoomverstellung ohne Kompromisse optimal unterzubringen. Die meisten 4-fach Zoom-Gläser besitzen den 30-mm-Tubus, sehr viele amerikanische 3-fach Zoom-Gläser einen 1 Zoll Tubus, die neueren ZEISS V8 Gläser mit fast 8-fachem Zoom einen 36 mm Tubus. Bei sonst identischem Aufbau lässt das größere Rohr natürlich größere Absehen-Verstellbereiche und größere Sehfelder zu, aber hier sind die Zusammenhänge sehr komplex und oft nicht direkt vergleichbar. Ein dickeres Rohr liefert übrigens kein helleres Bild – auch wenn sehr viele dieser Meinung sind! Bezüglich Helligkeit und Lichtdurchlass gibt es keinen Unterschied.

Die Absehen

Als Zielhilfe enthält jedes Zielfernrohr ein „Absehen“, das je nach Jagdsituation und persönlichen Vorlieben aus einer Vielzahl von Varianten ausgewählt wird. Über die Dioptrien-Einstellung am Okular wird es für das eigene Auge scharfgestellt. Verstelltürme für Höhe und Seite dienen zur präzisen Ausrichtung des Absehens bzw. der Visierlinie an die Geschoss-Flugbahn.

Absehenarten

Neben den zahlreichen, klassischen Absehen wie z. B. 4 oder 8 sind heute hauptsächlich beleuchtbare Absehen anzutreffen. Die Leuchtintensität muss dabei unterschiedlichste Ansprüche erfüllen: Beim Nachtansitz darf nur ein feines „Glimmen“ sichtbar sein, ohne das Auge zu blenden oder die Dunkelanpassung des Auges entscheidend zu stören. Bei Bewegungsjagden ist dagegen ein kräftiges „Leuchten“ Voraussetzung, damit der Punkt in Sekundenbruchteilen trotz hellem tageslicht vom Auge erfasst wird.

Während bei den früheren klassischen Diavari Modellen das Beleuchtungssystem für die Dämmerung optimiert war, ist die Beleuchtungsstärke der heutigen Leuchtabsehen in einem sehr großen Bereich dimmbar. Sie sind für Tag und Nacht geeignet.

Deckungsmaße

Die Deckungsmaße beschreiben die Größe und die Abstände des Absehens in Bezug auf den Wildkörper, das heißt wie viel zum Beispiel von einer Linie oder dem Leuchtpunkt auf 100 m „verdeckt“ wird.

Absehenebenen

Das Absehen im Zielfernrohr kann in der ersten oder in der zweiten Bildebene angebracht werden. Der Unterschied zwischen erster und zweiter Bildebene zeigt sich beim Ändern der Vergrößerung bzw. an den sog.„Deckungsmaßen“:

Absehen in der ersten Bildebene

Ein Absehen in der ersten Bildebene (vor dem Umkehrsystem) ändert sich in gleicher Weise wie das eigentliche Bild. Absehen und Bild formen eine Einheit, beide vergrößern oder verkleinern sich in gleicher Weise. Die Deckungsmaße sind daher bei allen Vergrößerungen konstant, sodass ein einfaches Entfernungsschätzen möglich wird. Beträgt z.B., wie beim Absehen 40, der Abstand zwischen den horizontalen Balken genau 70cm auf 100m und füllt ein Reh (typische Rumpflänge 70cm) den Zwischenraum aus, steht es 100m entfernt – unabhängig von der Vergrößerung.
Eine weitere Eigenschaft zeigt sich bei schlechten Lichtverhältnissen: Balken und Linien werden bei höherer Vergrößerung breiter – und damit besser sichtbar. Diese Vorteile der Absehen in der ersten Bildebene verloren durch Entwicklungen wie Leuchtabsehen und Laser-Entfernungsmesser immer mehr an Bedeutung.

Absehen in der 1. Bildebene (objektivseitig): Ein Vergrößerungswechsel verändert Zielbild und Absehen gleichzeitig, d. h. Proportionen und Deckungsmaße bleiben konstant.

Absehen in der zweiten Bildebene

Während die früheren, typischen „europäischen“ Zielfernrohre unbeleuchtete Absehen in der 1. Bildebene besaßen, geht der Trend heutzutage eindeutig hin zu Leuchtabsehen in der 2. Bildebene. Dabei sitzt das Absehen hinter dem Zoom-Umkehrsystem, d. h. in der okularseitigen Bildebene. Ein Vergrößerungswechsel (Zoom) wirkt sich nicht auf das Absehen aus, dem Auge erscheint es immer gleich fein mit minimaler Zielverdeckung: Ein entscheidender Vorteil bei weiten Schüssen mit hohen Vergrößerungen.
Die Deckungsmaße der Absehen in der 2. Bildebene sind nun allerdings von der Vergrößerungseinstellung abhängig. Je kleiner die Vergrößerung (je kleiner das Bild), desto mehr wird durch das Absehen verdeckt. Bei der technischen Realisierung ist ein Absehen in der 2. Bildebene darüber hinaus anspruchsvoller und kritischer als in der ersten. Die verschiebbaren Komponenten des Umkehrsystems müssen mit extrem niedrigen Toleranzen gefertigt werden, damit beim Verändern der Vergrößerung das Bild nicht ungewollt seitlich oder in der Höhe wegwandert. Da das Absehen in der zweiten Bildebene feststeht, würden in solchen Fällen deutliche Treffpunktabweichungen auftreten. Durch modernste Fertigungsprozesse mit minimalen Toleranzen in der Fertigung bietet ZEISS aber auch hier maximale Sicherheit in allen Zielfernrohrklassen.

Absehen in der 2. Bildebene (okularseitig): Ein Vergrößerungswechsel verändert nur das Zielbild. Das Absehen bleibt unverändert. Die Deckungsmaße ändern sich mit der Vergrößerung.

Die Absehenverstellung

Nach der Montage des Zielfernrohrs wird die Waffe eingeschossen. Praktisch bedeutet das: Das Absehen und damit die Visierlinie wird so justiert, dass sie bei einer bestimmten Entfernung (z. B. 100m oder GEE) exakt zum Auftreffpunkt des Geschosses zeigt. Dazu besitzen Zielfernrohre die „Elevationsverstellung“, d. h. zwei Verstelltürme am Mittelrohr, mit denen das Absehen in der Höhe und nach der Seite justiert werden kann.

Zentriertes Absehen

Bei älteren Zielfernrohren führte das dazu, dass das Absehen nach dem Einschießen in der Regel nicht mehr in der Mitte, sondern irgendwo im Bildfeld stand. Die heutigen „zentrierten“ Absehen vermeiden dies, indem das komplette Umkehrsystem mit Absehen leicht gekippt wird, sodass sich das komplette Sehfeld verschiebt. Das Absehen steht immer zentriert in der Bildmitte.

Quadratische Absehenverstellung

Viele Zielfernrohre besitzen eine „quadratische Absehenverstellung“, d. h. es steht gleich viel Raum für Höhe und Seite zur Verfügung. Modelle für größere Distanzen bieten einen erweiterten vertikalen Verstellbereich, um den Geschossabfall auf weitere Entfernungen zu kompensieren – dafür gibt es kleine Einschränkungen beim seitlichen Verstellen. Bei ZEISS Zielfernrohren ist dabei sichergestellt, dass beim Verstellen der Höhe die seitliche Einstellung nicht beeinflusst wird und umgekehrt.

Klickverstellung

Pro Klick der Verstellknöpfe bewegt sich das Absehen bei den meisten „europäischen“ Modellen um 1cm auf einem 100m entfernten Ziel, also 1cm / 100m. Auf einer 300-m-Scheibe sind das pro Klick 3cm! „Amerikanische“ Modelle besitzen meist eine Verstellung um ¼ MoA = ca. 0,73cm / 100m. Zur Erklärung: 1 MoA = 1 Minute of Angle = 1 Bogenminute = 1/ 60 Grad.

Nullen

Nach dem Einschießen lassen sich die Verstellknöpfe der meisten Zielfernrohre „Nullen“, d. h. die Skala wird ohne Verstellung des Absehens wieder in Ausgangsposition (auf Null) gesetzt. Nach Veränderungen an der Absehenverstellung, um z. B. Geschossabfall oder Seitenwind zu kompensieren, lässt sich so die „Null-Lage“ immer wieder einfach finden.

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