Tester-Tea-Time (Teil 2): Rechtschreibung in Anwendungen – mehr als nur Kleinlichkeit

Die „Tester-Tea-Time“ ist ein Beitragsformat auf diesem Blog, in dem Themen aufgegriffen werden, die Testerinnen und Tester tagtäglich beschäftigen. Gewisse Problemstellungen oder Themen kehren immer wieder, daher soll hier eine Basis geschaffen werden, solche Phänomene zu erläutern und Lösungen dafür zu finden. Zudem sollen Diskussionen und neue Denkweisen angeregt werden. Im Testing können wir viel voneinander lernen, indem wir unseren Alltag beobachten!

Moderator: Willkommen zur Tester-Tea-Time! Im Interview mit Testerinnen und Testern der ZEISS Digital Innovation (ZDI) werden wir erneut spannende Themen diskutieren.

Widmen wir uns nun dem heutigen Thema. Dazu sprechen wir mit Sandra Wolf (SW), Testerin bei ZDI. Warum beschäftigen wir uns dieses Mal mit dem Thema „Rechtschreibung“ und wo siehst du den Zusammenhang mit der Softwareentwicklung?

SW: Der Alltag eines Testers hält viele Herausforderungen bereit. Gerade während des Testprozesses ist große Konzentration gefragt, wenn jedes Detail auf Qualität überprüft werden muss. Eines dieser Details ist die Rechtschreibung und Grammatik. Oft wird es unterschätzt, wie wichtig die korrekte Orthografie sein kann.
Im Arbeitsalltag passiert es oft, dass Rechtschreibfehler in der Software gefunden werden. Doch wenn diese zur Behebung an die Entwicklung gemeldet werden, kommt es nicht selten vor, dass der Tester dafür belächelt wird. Die vorherrschende Meinung ist, dass das nur sehr kleine und unwichtige Fehler wären. Im heutigen Gespräch soll mit dieser Meinung aufgeräumt werden. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind nicht gerade die beliebtesten Themen und werden häufig als sehr trocken empfunden. Dabei sind gerade diese Regeln, die wir seit der Schulzeit lernen, eine Orientierungshilfe für uns und unser Gehirn. Ein Wort, das richtig geschrieben wird, wird auch leichter gelesen, im Satz zu einer Aussage kombiniert und somit im Gehirn verarbeitet. Aufmerksame Leser – oder im Fall der Softwareentwicklung – Nutzer werden zwangsläufig über falsche Rechtschreibung in der Software stolpern. Es wurde sogar nachgewiesen, dass bestimmte Persönlichkeitstypen unterschiedlich emotional auf falsche Orthografie reagieren (vgl. Weiß, 2016). Somit können Fehler in diesem Bereich im Gegensatz zu ihrem trockenen Ruf Emotionen auslösen, die dann als Konsequenz den Umgang mit der Software beeinflussen.

Zwei Kollegen zum Interview über Videokonferenz verbunden
Abbildung: Stanislaw Traktovenko und Sandra Wolf in der virtuellen Tester-Tea-Time im Gespräch.

Moderator: Von welcher Art der Beeinflussung sprechen wir in diesem Fall?

SW: Korrekte Rechtschreibung strahlt zum Beispiel Seriosität aus. In Bewerbungen und amtlichen Anträgen wird eine fehlerfreie Rechtschreibung vorausgesetzt. Es ist sogar in Studien belegt worden, dass beispielsweise die Chancen auf Bewilligung eines Kreditantrags durch sprachliche Fehler vermindert werden (vgl. Weiß, 2016). Übertragen wir das nun auf die Software, die wir entwickeln, ist nur ein möglicher Schluss zu ziehen: Rechtschreibung ist essenziell für eine adäquate Nutzung und die Außenwirkung der Software beim Kunden. Und somit sollte dieses Thema innerhalb des Entwicklungsprozesses eindeutig ernster genommen werden und mehr Aufmerksamkeit bekommen als bisher.
Schauen wir uns den Alltag von Testern und Entwicklern an, dann wissen wir, dass die Funktionalität der Software im Mittelpunkt steht. Natürlich ist nachvollziehbar, dass ein kosmetisch wirkendes Thema wie die Rechtschreibung hinter aufwendig programmierten Anwendungsteilen zurücktritt. Das sollte alle Beteiligten des Prozesses allerdings nicht über die Wichtigkeit hinwegtäuschen. Denn ganz klar ist, dass der Erfolg eines Produktes und somit auch einer Anwendung von der sprachlichen Qualität beeinflusst werden kann. Der erste Eindruck beim Lesen eines Textes oder beim Nutzen einer Software lässt uns automatisch auch auf den Bildungsgrad der Schöpfer schließen (vgl. Frost, 2020). Somit kann durch eine fehlerhafte Rechtschreibung ein schlechtes Licht auf eine gute Software geworfen werden.

Moderator: Wie muss ich mir dieses “schlechte Licht”, in dem die Software dann steht, im Detail vorstellen?

SW: Durch eine schlechte Rechtschreibung kann das Vertrauen in die Qualität der Software verloren gehen und die Akzeptanz für die Anwendung sinken. Der Nutzer könnte davon ausgehen, dass generell wenig Wert auf Qualität gelegt wird, wenn schon mit der Rechtschreibung nachlässig umgegangen wird. Schließlich drückt eine korrekte Orthografie nicht nur Professionalität, sondern auch einen gewissen Respekt gegenüber dem Leser/Nutzer aus. Es konnte sogar festgestellt werden, dass eine Textqualität beeinflusst, ob jemand vom Interessenten zum Käufer wird. Wird das auf die Softwareentwicklung bezogen, kann es auf jeden Fall Budget einsparen, wenn von Anfang an auf die Rechtschreibung geachtet wird und die Meldung solcher Fehler ernst genommen wird (vgl. Frost, 2020).
Letztendlich präsentieren wir in unseren Projekten auch unser Unternehmen, weshalb das Thema der Orthografie weitreichendere Auswirkungen haben kann, als wir zunächst denken. Im besten Fall kann durch eine gute Rechtschreibung der Ruf unserer Softwareentwicklung verbessert werden bzw. erhalten bleiben. Dadurch können wiederum mehr Kunden und höhere Umsätze erzielt werden, weil die gleichbleibende Qualität unserer Softwareprodukte ein Argument für eine Zusammenarbeit mit der ZDI sein kann.

Moderator: Hier möchte ich gern anknüpfen und Stanislaw Traktovenko (ST) aus unserem Usability-Team zu Wort kommen lassen. Welche Bedeutung nimmt das Thema der Rechtschreibung aus deiner Sicht ein? Siehst du ebenfalls die Auswirkungen in dem von Sandra Wolf beschriebenen Maße?

ST: Aus meiner Sicht hat die Rechtschreibung einen Einfluss auf die Lesbarkeit und dadurch auf die Wahrnehmung der Informationen in der Anwendung. Wir ordnen das den Usability-Prinzipien Konsistenz und Sprache zu. Rechtschreibfehler haben also potenziell eine direkte Auswirkung auf die Usability einer Anwendung. Eine inkorrekte Orthografie stört zum Beispiel den Lesefluss und somit die Wahrnehmung der Software durch den Nutzer. Es entsteht ein negatives Gefühl und der Nutzer beschäftigt sich nicht mehr mit der Aufgabe, die er mit der Software eigentlich verfolgt hatte. Er wird durch eine falsche Rechtschreibung abgelenkt und das beeinflusst seine Effektivität und Effizienz. Auch wenn Rechtschreibung nur ein kleiner Bruchteil der Usability ist, kann sie somit größere Auswirkungen haben als gedacht, so wie Sandra bereits vorher erläutert hat.

Moderator: Vielen Dank, Sandra und Stanislaw für diese interessanten Einblicke. Die Auswirkungen sind tatsächlich weitreichender als erwartet, das ist sehr erstaunlich. Wir können somit zusammenfassen, dass das trocken wirkende Thema der Rechtschreibung in allen Softwareprojekten ernst genommen werden muss, um eine möglichst hohe Qualität zu liefern und sowohl die Produkte als auch uns als Unternehmen adäquat zu präsentieren. Das Thema der Rechtschreibung wirkt im ersten Moment vielleicht banal, hat aber im Endeffekt eine große Wirkung und somit Wichtigkeit für uns alle. Das Thema sollte daher unbedingt die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient hat.

In den folgenden Beiträgen werden wir weitere Problemstellungen aus dem Alltag von Testerinnen und Testern aufgreifen und besprechen, welche möglichen Lösungsansätze es dafür gibt.

Dieser Beitrag wurde verfasst von: