Wie Vogelschutz in der Agrarlandschaft gelingen kann
Rheinebene bei Mannheim, Ende Mai, 8:30 Uhr – bereits seit über 2 Stunden richtet Julia Staggenborg gebannt ihr ZEISS-Fernglas auf eine unscheinbare Mähwiese. Mal kurz zur Seite schauen? Unmöglich! Jede Ablenkung kann die Arbeit des ganzen Morgens zunichtemachen. Julia Staggenborg verfolgt ein Grauammer-Weibchen, das sie zu Beginn der Begehung mit einer Ladung trockener Grashalme im Schnabel beobachten konnte. Offenbar ist der Vogel mit der Anlage des Nestes beschäftigt – und dessen Standort soll herausgefunden werden.
Julia Staggenborg arbeitet seit 2017 an der Universität Tübingen in einem Projekt zum Schutz der Grauammer. Die eher unscheinbare Vogelart wird als eine Charakterart großflächig offener Ackerlandschaften angesehen. Gerade in diesem Lebensraum fällt es besonders schwer, dem großflächigen Verlust an Artenvielfalt wirksam entgegenzusteuern.
Welche Naturschutzmaßnahmen hinreichend geeignete Lebensstätten bereitstellen können, ist längst nicht abschließend geklärt. Oft sind es ganz spezifische Lebensraumansprüche, die darüber entscheiden, ob eine Tier- oder Pflanzenart seinen Bestand halten kann – und diese sind vielfach nicht im Detail bekannt. Seit 2016 wird das Artenschutzprojekt auch von ZEISS unterstützt.
Besonderes Augenmerk legen die Projektmitarbeiter auf die Sicherung des Bruterfolgs. Die späte Brutperiode der Grauammer ist vor allem im Grünland problematisch, da die Nestlingszeit vielfach mit der Bewirtschaftung kollidiert. Genau aus diesem Grund möchte Julia Staggenborg auch unbedingt herausfinden, ob das Nest im Rheintal tatsächlich in der Wiesenparzelle angelegt wird – hier steht nächste Woche die erste Heumahd an und würde ein Nest unweigerlich zerstören.
Oder wurde das Nistmaterial doch in die direkt benachbarte Wintergerste eingetragen? Dann besteht vorerst keine Gefahr, denn vor der Getreideernte haben die jungen Grauammern das Nest längst verlassen.