Unscheinbar, aber beeindruckend

Auf die Details kommt es an

WARUM SICH EIN ZWEITER BLICK IMMER LOHNT UND SCHNELLE URTEILE UNANGEBRACHT SIND, BEWEIST UNS DIE NATUR TÄGLICH.

Für Menschen gibt es die wenig schmeichelhaften Bezeichnungen „Mauerblümchen“ oder „graue Maus“. Jeder, der sich intensiv mit Natur und verschiedenen Arten, insbesondere Vogelarten, beschäftigt, weiß, wie fehlgeleitet solche Vorverurteilungen sind.

Gerade das, was auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, ist unter Umständen sehr beeindruckend. Handelt es sich doch manchmal um eine besondere Art, die man nicht so häufig entdeckt, weil sie sich so gut tarnt oder relativ heimlich verhält. Selbst wenn sie nicht so selten ist, bleibt sie für Vogelbeobachter doch besonders in ihrem Verhalten und ihren Federzeichnungen.

Schauen wir uns die Hohltaube näher an. Ungeübte verwechseln sie gerne mit der wenig geliebten Straßentaube, jedoch findet sich kein Weiß in ihrem Federkleid und die schwarzen Armbinden ihres Gefieders sind nur undeutlich zu erkennen. Zudem ist sie einiges kleiner als die Ringeltaube. Was auf den ersten Blick nach Zivilisationsalltag aussieht, bekommt man heute an vielen Orten nur noch selten zu sehen.

Denn die Hohltaube braucht offene Wälder oder Kulturlandschaften und entsprechende Bruthöhlen – entweder in Steinmauern oder am liebsten in Höhlen der Schwarzspechte. Als Zugvogel ist sie im Frühjahr eine der frühen Arten und im Herbst eine derjenigen, die spät aufbricht.

Unter den kreisenden Greifvögeln über uns fällt der prächtige Rotmilan mit seinem gegabelten Schwanz, seiner schönen Färbung und den tollen Manövern immer sofort auf. Dafür braucht es nicht mal ein Fernglas.

Viele andere Greifvögel wirken von unten ohne Optik wie gewöhnliche Mäusebussarde. Mit dem Fernglas zeigt sich der Unterschied: Der Schwarzmilan ist zwar gleich groß wie der Mäusebussard, hat aber einen langen, leicht gegabelten Schwanz, den er viel dreht im Flug. Der seltenere Wespenbussard wiederum unterscheidet sich klar vom Mäusebussard über seinen schmalen, vorgestreckten Hals, der mehr an einen Kuckuck erinnert.

SCHÖN VERSTECKT UND UNAUFFÄLLIG IM WALD BEWEGEN SICH MEHRERE VOGELARTEN, DIE NUR DEM GEÜBTEN AUGE NICHT ENTGEHEN UND EINE ENTSPRECHENDE OPTIK ZUR UNTERSTÜTZUNG BRAUCHEN.

Baumläufer sind so flink, klein und verschmelzen je nach Baumart farblich fast mit dem Stamm. Selbst sein Gesang ist unauffällig. Oder nehmen wir den Kernbeißer: Zwar ist er als großer Finkenvogel mit seiner schönen braunen Färbung und dem auffälligen Schnabel unverwechselbar, jedoch tarnt er sich so gut ganz oben im Baum, dass wir ihn häufig übersehen.

Auch die Waldohreule tarnt sich im Wald bestens und balzt sogar unauffällig, so dass es auch einen vierten Blick braucht und vor allem eine gute Lichttransmission des Fernglases, um sie am späten Abend ausfindig zu machen.

Am See braucht es viel Geduld und vor allem ein Spektiv, um das Schilf nach den Meistern der Tarnung abzusuchen. Die Wasserralle als häufigste Rallenart verschwindet farblich fast im Schilf und lässt sich über ihre langsamen Bewegungen ausmachen.

Das Teichhuhn ist schon viel leichter zu finden, so schwarz und unscheinbar es wirkt, so ist der gelbe Schnabel mit der roten Färbung darüber doch einzigartig. Wer viel Glück hat, entdeckt noch eine Rohrdommel und ein Tüpfelsumpfhuhn, die an vielen Stellen jedoch sehr selten geworden sind.

Auf dem Weg nach Hause an den Feldern vorbei, muss inzwischen lange suchen, wer noch eine Wachtel entdecken will, die noch am ehesten in der Abenddämmerung hörbar ist. Der Volltreffer ist dann die Heckenbraunelle, die so versteckt im dunkelsten Pflanzendickicht lebt und unauffällig blaugrau-braun gefärbt ist, dass wir sie kaum zu Gesicht bekommen.

Die Natur lehrt uns, dass langweilig und unscheinbar nur eine Tarnung sind für einzigartiges Leben mit beeindruckenden Details.