Schweden – das Land der Ornithologen

Schweden gilt mit seinen 100.000 Seen, den unzähligen Inseln in den Schärengärten der Ostsee und der Weite eines der fünf größten europäischen Länder als das Urlaubsparadies. Dreiviertel von Schwedens Fläche bestehen aus Wäldern, in denen sich Elche und Bären tummeln. Bei so viel Natur ist es nicht verwunderlich, dass Schweden gleichzeitig die Wiege der «fågelskådning», der Vogelbeobachtung ist.

Dem Werk des Schweden Carl von Linné aus dem 18. Jahrhundert verdanken wir nicht nur die binäre Nomenklatur in der Pflanzenwelt, sondern auch in der Zoologie. Linné beschäftigte sich intensiv mit der Ornithologie. Zwar waren seine Aufzeichnungen über die Vogelwelt zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn aus heutiger Sicht nicht so überzeugend wie seine Beiträge zur Flora, jedoch vertiefte er sein Wissen über die Vogelwelt im Laufe der Zeit. Für seine Zeit war er zweifelsohne sehr kundig in der Ornithologie, und wir bauen bis heute auf die Grundlagen seiner Systematik. 

Mehr als 200 Jahre später verfasste Lars Svensson die Standardwerke für nordafrikanische, vorderasiatische und europäische Vogelarten. In seinen Vogelführern beschrieb er 900 Arten in jedem Detail, die bis heute Hobby-Ornithologen in ganz Europa beim Bestimmen der Arten unterstützen.

Zwar bietet die Ostsee nicht das gleiche Artenspektrum wie die Nordsee, dennoch eröffnet die Temperaturspreizung in Schweden – vom milden Meerklima bis zur arktischen Kälte – eine Vielzahl an Lebensräumen. Besondere Vogelarten in Schweden gibt es ausreichend mit Alpenschneehuhn, Rothalstaucher, Schneeeule, Auerhuhn, Basstölpel, Regenbrachvogel, Brautente und Rotfußfalke.

Der Club 300 aus Schweden verzeichnet 591 Arten, worunter jedoch einige Seltenheiten sind. Immerhin haben die aktivsten Mitglieder im Club 300 bis zu 475 Arten gesehen, was auf die Zeit schließen lässt, die schwedische Vogelbeobachter in ihre Leidenschaft investieren. So lässt eine schwedische Bezeichnung unter den Ornithologen auch auf die Ernsthaftigkeit ihrer Beschäftigung schließen. Während sie die Vogelart, die sie sehen, einfach «abkreuzen», also als einen «kryss» (Kreuz) wie bei uns der Haken bezeichnen, heißt die Vogelart, die man noch nicht gesehen hat «skamart», quasi Scham- oder Schandenart.  Bei der Art ist es also eine Schande, dass man sie noch nicht gesehen hat.

Die interessantesten Hot Spots liegen auf den beiden große Inseln Öland und Gotland, im Süden sowie in der Mitte des Landes. Im Folgenden beschreiben wir drei der Lieblingsplätze der schwedischen Ornithologen. Darüber hinaus sind die Halbinsel Getterön in Halland, die Schärengarteninsel Utlängan in Blekinge und das Naturreservat «Björns Skärgård», übersetzt so viel wie der «Bärenschärgarten», nördlich von Uppsala sehr empfehlenswert.

Svartådalen

Zwar nennen die Vogelbeobachter das Gebiet in der Nähe von Västerås, nordwestlich von Stockholm, klassischerweise nicht unter den fünf wichtigsten Hot Spots. Dennoch hat die Gegend, die von der Touristeninformation als «Edens Garten» bezeichnet wird, an Attraktivität für die Vogelbeobachtung stark zugenommen.

Der Fluss Svartån bildet hier ein großes Seensystem und überschwemmt regelmäßig die umliegenden Flächen.

Daher dient das weitgestreckte Feuchtgebiet mit großer Artenvielfalt als Tankstelle für viele Zugvögel. Inzwischen wurde das Naturgebiet aufgrund seiner internationalen Bedeutung für die Zugvögel in die Natura 2000-Gebiete aufgenommen. Neben den tausenden Singschwänen, die hier rasten, finden sich Seeadler, Wiesenralle, Trauerseeschwalbe und Großer Brachvogel.

Öland: Ottenby und Norra Udde

„Seit früher Kindheit an beobachte ich Vögel. Daher war es klar, dass ich das auch beruflich machen werde. Als Erwachsener habe ich dann den Ort in Schweden gesucht, an dem ich am besten täglich viele Vogelarten sehe. So bin ich nach Öland, an den Leuchtturm von Segerstad, gekommen.“

Christian Cederroth ist eine Art moderner Leuchtturmwärter auf Öland. An sich arbeitet er als Natur- und Vogelbeobachtungsexperte und führt Touristen durch die schöne Region. Selbst an einem freien Tag beobachtet er von morgens bis abends. Häufig kommt er an einem Tag auf fast 100 verschiedene Arten, wofür andere im eigenen Garten ein ganzes Leben brauchen.

Neben seinem Leuchtturm im Süden sind die Nordküste und Ottenby die besten Plätze auf der Insel zum Beobachten. Die großen Feuchtgebiete zusätzlich zur Küste sind auch hier sehr wichtig für den Vogelzug. Auf Öland finden sich Vogelarten wie Schafstelze, Kampfläufer, Ohrentaucher, Alpenstrandläufer, Rohrweihe und Bekassine.

Falsterbo

Ganz im Süden des Landes in Richtung Dänemark liegt das kleine Falsterbo mit seinem bedeutenden Vogelobservatorium. Hier fliegen im Herbst durchschnittlich Tag und Nacht 500 Millionen Zugvögel vorbei.

Um zu lange Strecken über die Ostsee zu vermeiden, fliegen sie in der Regel entlang der Küste und dann genau hier vorbei. Das feiern die Vogelbeobachter jedes Jahr gegen Ende August mit einem Festival, auf dem Naturschutzverbände und Optikhersteller ausstellen und spannende Ornithologen aus aller Welt vortragen. Gemeinsam radeln und fahren alle zu den gängigen Stellen an der Küste, an denen man bequem bis zu 90 Arten am Tag beobachten kann. Gerade die große Anzahl an Greifvögeln ist beeindruckend. Meistens sind es gängige Arten, die vorbeifliegen. Raufußkauz, Trauerschnäpper, Rotkehlpieper und Brachpieper lassen jedoch vereinzelt die Aufregung steigen.

Ob auf Öland, Gotland oder irgendwo sonst an der Küste beziehungsweise an einem der vielen Seen, in Schweden gibt es zahlreiche schöne Ecken zur Vogelbeobachtung. Insbesondere die zusammenhängenden Feuchtgebiete und der hohe Anteil an Natur mit geringem Landverbrauch eröffnet Vögeln einen Lebensraum, der in vielen anderen europäischen Ländern in dem Umfang verloren gegangen ist. Schön ist an Schweden außerdem die Offenheit der Menschen. Wer auf schwedische Vogelbeobachter trifft, erhält in der Regel wertvolle Tipps zu den besten Stellen und Entdeckungen. So wird die Liste der «skamarter», bei denen man sich schämen könnte, sie noch nicht gesehen zu haben, immer kleiner.

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