Warum es für die exakte Bestimmung ein gutes Spektiv braucht: Cherry Picking im Entenschwarm.
Die zu den Tauchenten zählende Moorente (Aythya nyroca) war und ist in Westeuropa eine Rarität. Vor allem am Bodensee können Moorenten außerhalb der Brutzeit auch in größeren Trupps mit zweistelliger Individuenzahl auftreten. Meist werden sie jedoch einzeln oder in kleinen Gruppen in oder am Rand großer Scharen überwinternder Tafel- und Reiherenten entdeckt, wobei ihre Differenzierung von den Weibchen und Jungvögeln der Reiherente nicht gerade einfach ist. Denn die in vielen Bestimmungsbüchern hervorgehobenen Merkmale entpuppen sich in der Praxis gelegentlich als Stolpersteine, insbesondere für weniger erfahrene Ornithologen.
Um einen auf dem Wasser liegenden, hunderte oder gar tausende Enten umfassenden Schwarm sorgfältig durchzumustern, benötigt man neben Konzentration und Ausdauer auch ein optisch hervorragendes Spektiv mit hohem Dynamikumfang, welches den ständigen Wechsel zwischen einem maximal großen Sehfeld und einer sehr hohen Vergrößerung mit komfortablem Einblick erlaubt, um „verdächtige“ Individuen überhaupt erst einmal finden und dann immer wieder kurz im Detail überprüfen zu können. In der hierzu alles entscheidenden Disziplin Dynamik ist das Zeiss Harpia mit einem Maximal-Sehfeld von 59 m/1000m bei minimaler Vergrößerung und einer im Handumdrehen realisierbaren Maximal-Vergrößerung von 70-fach mit großem Abstand Weltmeister. Erfolgsentscheidend ist dabei, dass der Wechsel zwischen Maximal-Sehfeld und Maximal-Vergrößerung in nur zwei Sekunden völlig ohne zeitraubende und im Felde noch dazu riskante Umbaumaßnahmen im rauen Feldeinsatz bequem gemeistert werden kann. Denn nur so lassen sich Wasservogelzählungen unter limitiertem Zeitrahmen in professioneller Qualität durchführen. Schließlich geht es innerhalb des Begriffes Maximal-Sehfeld bei niedriger Vergrößerung auch um die ornithologisch äußerst bedeutsame Schärfentiefe, welche physikalisch unabdingbar mit der Vergrößerung gekoppelt ist und gewährleistet, dass die Tiere im Vordergrund ebenso identifizierbar scharf abgebildet werden, wie diejenigen im Hintergrund (Abb. 1). Denn schon bei mittlerer Vergrößerung werden die Vögel im Vorder- wie im Hintergrund, rein physikalisch bedingt, zunehmend unscharf (Abb. 2).
Bei Tauchenten stoßen wir auf drei grundsätzliche Probleme: Das erste ist die Eigenheit von Tauchenten, sich bei der Nahrungssuche unter Wasser aufzuhalten, wobei sie nicht notwendigerweise an der Stelle wieder auftauchen, an der sie abgetaucht sind. Zweitens: Wenn sie zum Luftholen und Sichern für kurze Zeit an die Oberfläche kommen, liegen sie meist sehr tief im Wasser, wodurch Kennzeichen wie etwa die weißen Unterschwanzdecken der Moorente entweder gar nicht oder nur ansatzweise sichtbar sind. Drittens: Ruhende Enten liegen zwar hoch auf dem Wasser, halten den Schnabel und den Vorderkopf aber oft schlafend unter dem Gefieder verborgen (Abb. 3). Dadurch sind wichtige Merkmale nicht zu sehen, wie beispielsweise die bei Reiherenten oft vorhandenen weißen Federn am Schnabelansatz.
Jedenfalls sind wir ständig gezwungen, sämtliche verdächtig erscheinenden Vögel näher zu überprüfen und diese dazu mit Hilfe der Vergrößerung „heranzuholen“ (Abb. 4). Für den umständlichen Einbau von Zwischenringen bleibt dafür selbstverständlich keine Zeit, oft nicht einmal für den Wechsel von Okularen.
In ruhenden, schlafenden Entenschwärmen sind die vielfach erwähnten weißen Unterschwanzdecken der Moorente für einen Anfangsverdacht sehr wohl von Bedeutung, können jedoch nicht als alleiniges Kriterium herangezogen werden. Denn auch weibliche Reiherenten zeigen teilweise weiß gefärbte Unterschwanzdecken, die sich von denen der Moorente kaum unterscheiden. Abbildung 5 zeigt ein solches Exemplar und ein bei weiblichen Reiherenten zwar meist vorhandener, zumindest ansatzweise ausgebildeter Schopf ist bei schlafenden Vögeln nicht aus jeder Perspektive erkennbar.
Noch schwieriger wird es, die zwischen Reiher- und Moorente unterschiedliche Kopfform zu erkennen, und auch die Färbung am Schnabelansatz sowie die des Schnabels selbst bleibt im schlafenden Zustand verborgen. Über die Schnabeloberkante betrachtet verläuft der Schnabel der Reiherente mehr konkav und erzeugt so ein eher „schaufelartiges“ Erscheinungsbild (Abb. 6). Der Übergang vom Schnabel zur Stirn ist bei der Reiherente durch die steiler nach oben verlaufende Stirn deutlicher abgesetzt als bei der Moorente. Bei dieser verläuft die Stirn flacher nach oben und erreicht den höchsten Punkt ungefähr in der Mitte des Kopfes, um nach hinten ebenfalls relativ steil wieder abzufallen (Abb. 7). Dies erzeugt ein insgesamt mehr keilförmiges als rundes Kopfprofil und ist ein hilfreiches Bestimmungsmerkmal für die Moorente, welches mit einiger Erfahrung auch bei schlafenden Individuen ins Auge fällt. Der Schnabel der Moorente ist verhältnismäßig lang, schlanker und nach vorne spitz zulaufend (Abb. 7). Die Farbe ist grau mit einem kleinen dunklen Nagel an der Schnabelspitze. Bei der Reiherente verläuft das Schwarzgrau des kräftiger ausgeprägten „Nagels“ an der Schnabelspitze bis an die Schnabelseiten hinaus, wodurch ein breiterer dunkler Schnabelvorderrand im Gegensatz zu dem dunklen Nagel bei der Moorente entsteht (Abb. 6). Unmittelbar dahinter ist bei der Reiherente ist ein etwas helleres Band erkennbar, welches nach hinten kontinuierlich in das Grau des Schnabels übergeht. Die Augenfarbe ist bei männlichen Moorenten weißlich, bei weiblichen Moorenten dagegen dunkel, womit sich Reiherenten durch ihr gelbes Auge von beiden Geschlechtern der Moorente unterscheiden lassen. Der Kopf weiblicher Reiherenten ist braun bis graubraun und zeigt keine ins Rötliche gehende, kastanienbraune Tendenz, wie das für die Moorente typisch ist. Auch die Flanken sind unterschiedlich getönt: Vergleichsweise hell und beige-braun mit zuweilen leicht grauer Tendenz bei der weiblichen Reiherente, während die Flanken der Moorente dunkler und immer kastanienbraun mit mehr oder weniger starker rötlicher Tendenz gefärbt sind.