In den letzten Jahren habe ich gelegentlich an Birdraces mit erfahrenen Ornis teilgenommen. Mit erfahrenen Experten war es relativ entspannt, ich konnte mich über die Sichtungen freuen und ließ mich von den anderen leiten. Für dieses Jahr hatte ich zwei Freunde bereits im Herbst überzeugt, dass wir uns als Team anmelden. Beide beobachten seit Jahren begeistert Vögel in ihrer Freizeit, sind aber nicht so tief in der Szene und haben noch nie an einem Birdrace teilgenommen.
Die beiden waren schnell angefixt von der Idee, wollten aber erst das Prinzip verstehen. Sie hatten viele Fragen: Zählt man die Anzahl der Vögel, die man sieht? Nein, nur die Vogelarten. Wie nennen wir unser Team? Erst waren wir bei abstrusen Namen wie „Aperol Spatz“, die „Vögeli-Lütt“ (alemannisch für die Vögel-Leute) oder die „Freizeitornis“. Am Ende wurde es doch seriös. Wir alle waren über Jahre eine eingeschworene Pendlergemeinschaft und fuhren täglich mit dem ICE nach Basel. Dort hatte ich einmal einen Schwarzstorch vom Zugfenster aus beobachtet, als die anderen beiden nicht dabei waren. Danach wurde es unser Sehnsuchtsvogel, den wir unbedingt bei den Zugfahrten sehen wollten. Jedoch tauchte er nie wieder auf. Also nannten wir uns „Ciconia nigra“.
Klar war, wir machen das nur zum Spaß und wir laufen außerhalb jeglicher ernsthaften Konkurrenz. Der Ingenieur wollte dennoch einen genauen Plan möglichst vier Wochen vorher, ich konnte ihn jedoch auf einen flexiblen Plan kurz vorher vertrösten. Kurz vor dem Tag X, als wir noch täglich darüber diskutierten, ob wir nun radeln oder nur laufen und Zug fahren, welche Spots in der Region laut www.ornitho.de die besten sind, hatte einer der beiden einen positiven Corona-Schnelltest. Bis das Ergebnis des PCR-Tests da war, musste er in Quarantäne bleiben. Das Ergebnis war negativ, kam aber erst am Samstagmittag. Also nahm er nur von seinem Garten aus teil. Ich hatte dafür ein Kinderbetreuungsproblem und fragte die zehnjährige Tochter, ob sie nicht teilnehmen wolle. Schließlich braucht es weiblichen, ornithologischen Nachwuchs. Sie war sofort angefixt und stand freiwillig um 03:30 Uhr auf, um den ersten ICE von Offenburg nach Freiburg zu nehmen. Die Frau des anderen Freundes nahm auch am Vormittag teil. Für die Mehrheit im Team war das Birdrace also komplettes Neuland.
Der ICE kam natürlich zu spät und wir waren schon hinter unserem Zeitplan. Da wir so dringend starten wollten, vergaßen wir, die mitgenommene Sonnencreme ordentlich zu nutzen. Wir starteten zu Fuß am Schönberg in Freiburg, hakten gleich alle Siedlungsvögel ab sowie Nilgans, den Buntspecht und die Mönchsgrasmücke im und über dem Waldgebiet und zogen dann mit dem Fahrrad zu den Vogelschutzgebieten und Seen beim Rieselfeld und in Opfingen weiter. Dort staute es sich nur so von Birdrace-Teams, die alle den Neuntöter sahen – nur wir nicht. Wir suchten alle Pfosten und Stämme nach ihm ab – leider vergeblich.
Dafür sahen wir eine Goldammer und einen Schwarzmilan. Die Seen waren ernüchternd – außer Stockenten und Blässhühnern war nichts los. In der Studentensiedlung gab es früher zu meiner Studienzeit noch sehr viele verschiedene Entenarten. Jedoch auch dort mehr Menschen als Vögel – zumindest zeigten sich die Haubentaucher.
Lina Hähnle, der Gründerin des NABU, damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz, zu Ehren radelten wir durch den nach ihr benannten Weg zur nächsten Bahnstation für die S-Bahn in Richtung Kaiserstuhl. Das Kind war so fertig, dass wir den Zug gerade verpassten und auf den nächsten warten mussten. Ein Glück, denn beim Warten mit Picknick hatten wir einen Baumläufer und einen Hausrotschwanz neben uns im Baum.
Goldammer Schwarzmilan
Am Kaiserstuhl brauchten wir viel Geduld, neben Mehlschwalbe, Ringeltaube und Singdrossel zeigte sich lange nichts. Dann jedoch sahen wir ein Schwarzkehlchen, einen Turmfalke und ganz kurz ließ sich ein Wiedehopf blicken. Auf dem Rückweg dann noch mehrere Bienenfresser und ein Bluthänfling. Fragte zu Beginn nur das Kind nach jeder Sichtung, ob ich die Vogelart auch wirklich notiert hätte, fing nun auch der Freund an, sich zu versichern. Der Wettkampfgeist war groß. Nach einem Eis radelten wir von Ihringen bis nach Breisach an den Rhein, wo es Kormorane, Rauchschwalben und Höckerschwäne gab. Die Straßentauben ließen sich auf der französischen Rheinseite nieder, worauf hin wir diskutieren, ob die dann noch zählen. Aber da es an Straßentauben nie mangelt, gab es auch ausreichend auf der deutschen Seite.
Wiedehopf Bienenfresser
Am Ende der Kräfte fiel der Zug aus und wir mussten wieder radeln. Dorian Andersson hatte mir mal von seinem Big Year in den USA mit dem Fahrrad erzählt. Er meinte, radeln in den USA kann lebensgefährlich werden. Ich dachte, das sei in Deutschland anders. Tourist:innen im Kaiserstuhl fahren am Wochenende jedoch nicht vorsichtiger.
Der Freund in Quarantäne meldete Rotmilan, Eichelhäher und Schwanzmeise, alle anderen Arten hatten wir schon. Am Ende waren wir also bei 47 Arten. Das Kind hatte 50 als Ziel fürs erste Birdrace ausgerufen. Verzweifelt suchten wir die Felder vom Zug aus zurück nach Offenburg nach Silberreihern ab, wo sie sonst immer sicher zu finden sind. Es war jedoch schon zu dunkel. Letztendlich machten wir Platz 579 von 676 gestarteten Teams. Das Ziel, den Tag der Vogelartenvielfalt zu feiern, erreichten wir in jedem Fall. Alle waren wir selig und fertig am Abend, jedoch sahen wir aus wie Karmingimpel. Früher erkannte man Ornis an dem dünnen weißen Streifen im Nacken, der durch die Lederriemen des Fernglases entstand. Ich war sehr froh über die neuen Bänder des ZEISS Victory SF. Bislang dachte ich nur, dass sie bequemer sind, aber sie helfen auch gegen die Sonne. Jetzt habe ich also einen breiten, weißen Streifen im Nacken.
Bluthänfling
Fürs nächste Jahr haben wir viel dazugelernt: Wir werden die Sonnencreme bei aller Begeisterung nicht vergessen und wir werden Seen wählen, in denen es mehr Enten als Menschen gibt. Entscheidend ist zudem, das Tempo an den oder die Langsamsten im Team anzupassen, denn unser Hochleistungssportler war immer ab und davon, während wir anderen hinterher hechelten. Vermutlich werden wir daher in der Ortenau starten, wo sich in der Natur mehr Vögel als Menschen aufhalten. So oder so wird das erste Birdrace bei der zehnjährigen Tochter als auch den Erwachsenen für immer in Erinnerung bleiben. Die besondere Aufregung und die neuen Eindrücke waren einzigartig. Für die Kinder überlege ich mir wöchentliche Familien-Birdraces, so viel Bewegung machen sie selten freiwillig mit.
Der DDA berichtete ebenfalls sehr erfolgreich über sein Birdrace, denn beim Tag der Artenvielfale purzelten die Rekorde:
Das Birdrace 2021 hat alle Erwartungen übertroffen: Mehr als 2600 Personen in über 900 Teams hatten sich angemeldet und teilgenommen haben so viele wie noch nie! Doch nicht nur das: Auch so ziemlich alle anderen bisherigen Birdrace-Rekorde wurden in den Schatten gestellt. Nach Stand vom 12.05. wurden 330 verschiedene Vogelarten entdeckt, darunter einige Überraschungen. Im Landkreis Nordfriesland fanden die Birdracer gemeinsam 209 Arten. Die Möglichkeit des Zusammenschlusses zu virtuellen Teams über große räumliche Distanzen hinweg ermöglichte es einem fünfköpfigen Team in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie auf Helgoland zusammen 200 Arten zu finden. Beeindruckende 166 Arten wurden von Einzelpersonen im Havelland in Brandenburg entdeckt. Ein neuer Höchstwert wurde auch im Spendenrennen erreicht: Mehr als 60.000 Euro zugunsten von ornitho.de und ornitho.lu sind überwältigend! Christopher König, Betreuer von ornitho und Mitorganisator des DDA Birdrace, war währenddessen ebenfalls auf dem Fahrrad unterwegs. Mit ihm radelte das ZEISS Harpia 95 Spektiv. Er berichtet begeistert:
„Ich war sofort sehr positiv überrascht, wie schnell man den richtigen Bereich ins Blickfeld bekommt, und so fliegende Vögel am Himmel sofort erfassen kann. Auch beim Beobachten in der Dämmerung macht sich der große Objektivdurchmesser stark bemerkbar und man hat noch lange eine klare Sicht.“
Christopher König