Birder von Beruf

Der Molekular-Ornithologe aus dem Vogelparadies

Wer aus dem Mekka der Europäischen Vogelbeobachter kommt, kann nur eines werden: Ornithologe. Genaugenommen ein Wissenschaftler, der sich mit Fragen des Zugverhaltens von Greifvögeln, der Persönlichkeit von Brieftauben, der Kooperationsbereitschaft von Bienenfressern in der Paarungszeit und der DNA des Neuntöters beschäftigt.

Liviu Parau ist in Europas zweitgrößtem Deltagebiet aufgewachsen. Wo die Donau ins Schwarze Meer mündet, erstreckt sich seine Heimatregion im Biosphärenreservat Donaudelta über 5.800 km². Fast drei Viertel des Gebietes stehen unter Naturschutz, der überwiegende Teil auf der rumänischen Seite und ein kleinerer auf der ukrainischen. Gemeinsam mit Bulgarien und Moldawien haben sich die beiden Länder auf den Schutz und die Renaturierung des gesamten Feuchtgebiets an der unteren Donau verpflichtet, um das auf der Welt größte zusammenhängende Schilfrohrgebiet als Herberge für eine beeindruckende Pelikanpopulation sowie für zahlreiche weitere Vogelarten langfristig zu erhalten.

Als ein Geschenk an die Erde bezeichnete der WWF dieses Engagement.

Welcher Teil des Donaudeltas in seinem Zuhause auf der rumänische Seite der schönste sei, ist für Liviu Parau schwer zu beantworten. Schließlich gibt es in jedem Winkel eine unglaubliche Vielfalt. Am liebsten sind ihm jedoch die Seen um Maliuc und Mila 23 sowie die Küstenregionen in Sulina und Sfântu Gheorghe.

Von den 5.200 Tier- und Pflanzenarten im Donaudelta sind 362 Vogelarten registriert. Die Mehrheit der Vögel nistet im Delta, einige sind jedoch nur auf der Durchreise und nutzen das Delta als Halt, um ihre Energiereserven wieder aufzufüllen. Unter den Vogelarten hat Liviu einen eindeutigen Favoriten, die Rothalsgans, die sich nur im Winter im Delta aufhält. Daneben beeindrucken ihn nach wie vor die Wahrzeichen des Biosphärenreservats Donaudelta, die Rosapelikane mit einer Anzahl von 15.000 Exemplaren sowie die ungefähr 700 Krauskopfpelikane.

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Eine in die Wiege gelegte Wissenschaftslaufbahn

Als Kind kümmerte sich Liviu Parau während vieler Sommer intensiv um die Tiere auf dem Bauernhof seiner Großeltern. Später während seiner Teenagerzeit verbrachte er viel Zeit neben der Schule in den weiten Flächen des Donaudeltas auf der Suche nach allem, was fliegt. Die Liebe zu Tieren sei tief in seiner DNA verwurzelt, beschreibt Liviu, schließlich ist sein Vater Ingenieur für Tierhaltung und seine Mutter studierte Veterinärmedizin.

In einem Gebiet, in dem Ornithologen kontinuierlich neue Vogelarten kartieren, lag es nahe, sich ausführlicher mit den Vögeln zu beschäftigen. Also trat Liviu mit zwölf Jahren dem örtlichen Vogelbeobachtungsverein in Tulcea bei. Biologie zu studieren, war nur der logische nächste Schritt. Greifvögel faszinierten ihn in der Lebensphase am meisten und er entschied sich, für seinen Bachelor-Abschluss drei Jahre lang Daten im Feld über ihr Zugverhalten zu sammeln.

Angetrieben von dem Wunsch, die Beweggründe der Greifvögel zum Wegfliegen genau zu decodieren, beschäftigte er sich mit dem Einfluss des Wetters und der lokalen Geographie, aber auch mit neuen Gefahren durch Windkraftanlagen und was zum Schutz der Vögel zu tun sei. Greifvögel nutzen beim Ziehen thermische Ströme, die ihnen helfen, ohne zu viel eigene Energie gen Süden zu kommen. Sie trampen quasi von einem Luftstrom zum nächsten.

In Europa sind die Windparkanlagen die Hauptbedrohung der ziehenden Greifvögel. Kollisionen mit Turbinen wären zu reduzieren, wenn man die Windanlagen jenseits der Flugrouten baute und vorübergehend problematische Turbinen ausschaltete, zeigte Liviu auf.

Trotz der engen Verbundenheit mit dem faszinierenden Donaudelta verließ Liviu seinem Forschungstrieb folgend das heimische Vogelparadies. Zumindest die Nähe zum Wasser war bei seinem Erasmus-Stipendium gegeben, denn das Projekt für seinen Master führte ihn an die Universität Konstanz am Bodensee sowie ans Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen bei Radolfzell. Sein Forschungsgegenstand war die Verbindung zwischen der Persönlichkeit einer Brieftaube und ihrer jeweiligen Führungsrolle in der Vogelschar. Es scheint, dass Kühnheit oder Schüchternheit eines Vogels nichts über seine mögliche Führungsposition aussagen. Es zählt vielmehr die frühere Erfahrung, in wie weit die Vögel diese Route schon geflogen waren und Attacken von Falken überlebt hatten.

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Wie kooperativ verhält sich der Bienenfresser vor und während der Brutzeit? Direkt nach seinem Studium begleitete Liviu Parau als wissenschaftlicher Assistent eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts in Seewiesen auf eine kroatische Insel, um dieser Frage nachzugehen. Bei den lokal brütenden Bienenfressern entdeckten Liviu und seine Forschungskollegen mehrere Vögel, die beim Füttern des Nachwuchses halfen, obwohl er nicht ihr eigener war. Weltweit weisen nur neun Prozent der Vogelarten ein kooperatives Brutverhalten auf, meist in tropischen Gebieten, in denen Nahrung das ganze Jahr über vorhanden ist. Daher ist der Bienenfresser so besonders. Liviu beobachtete, wie ältere Geschwister sowie Nachbarvögel die frisch geschlüpften Bienenfresser mit fütterten. Ein weiblicher Vogel unterstützte sogar ein brütendes Paar in einer anderen Kolonie auf der Insel.

Wissenschaftliche Erkenntnisse in der Molekularbiologie

Direkt nach der Zeit in Kroatien bekam er zurück in Seewiesen die Chance, die Bevölkerungsdynamik des nicht einheimischen Halsbandsittichs in Europa zu untersuchen. Während des Projekts zog Liviu als Gastforscher an die Universität Heidelberg und arbeitete dort im Labor von Prof. Dr. Michael Wink mit. Livius erster Kontakt mit der Molekularbiologie entstand in einem Projekt zur Genexpression des Steinschmätzers, in dem er mit Professor Wink arbeitete.

Mit molekularen Technologien und der Erbinformationen eröffnete sich eine neue Welt für Liviu. So entschied sich Liviu für eine Doktorarbeit zur Bevölkerungsgenetik des Neuntöters bei Michael Wink. Die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft unterstützt das Projekt finanziell.

Da die illegale Jagd auf Zugvögel in Ägypten als große Gefahr für den Neuntöter angesehen wird, ist die Gesellschaft daran interessiert, mit molekularen Methoden herauszufinden, aus welchen Ländern die Neuntöter jeweils stammen. Im Feld sammelt Liviu Federn, nimmt Wangenabstriche und Blutproben des Neuntöters. Dazu muss er schnell sein, denn sein Gebiet sind die Weinberge um Heidelberg, in denen sich Neuntöter gut versteckt zwischen den breiten Blättern aufhalten. Mit einem gesponserten ZEISS Victory SF 10×42 lokalisiert er die Vögel relativ schnell, durch die hohe Auflösung liest er sogar die Ringe am Bein, die er Vögeln anlegt, wenn er sie für seine kurze Untersuchung fängt.

Zurück im Labor extrahiert Liviu die DNA aus den gesammelten Proben. Nachdem er die DNA sequenziert hat, analysiert er die Abfolge der Nukleotiden, die Bausteine der DNA. Dabei konzentriert er sich auf zwei kleine Gene, die als sehr zuverlässige bevölkerungsgenetische Marker angesehen werden. Zusammen genommen haben diese Gene 1.551 Nukleotide. Nicht alle Vögel weisen dieselbe Abfolge an Nukleotiden auf. Eine bestimmte Abfolge wird Haplotyp genannt. Über den Haplotyp gruppiert Liviu die Vögel desselben genetischen Hintergrunds.

Von den bislang 132 untersuchten Neuntötern aus 14 Ländern identifizierte Liviu 76 Haplotypen, also eine hohe genetische Diversität. Wie viele europäische Zugvogelarten verdankt der Neuntöter diese Vielfalt den Eiszeiten der letzten zwei Millionen Jahre. Während dieser Phasen vermischten sich verschiedene Populationen in Südeuropa, als sie versuchten, der Kälte zu entkommen. Trotz der beklagenswerten hohen Abschüsse in Ägypten hat der Neuntöter also dank der genetischen Vielfalt hohe Überlebenschancen als Art, da er von Krankheiten und Viren nicht so schnell ausgerottet wird. Für Liviu Parau, den Wissenschaftler aus dem Vogelparadies, eine wichtige und beruhigende Erkenntnis.

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