Strukturierung von Halbleitermaterialien mit atomarer Präzision

Forscher nutzen Helium-Ionen-Mikroskopie zur Konstruktion atomarer Defekte in Molybdändisulfid (MoS2)

Nutzerbericht

Prof. Alexander Holleitner, Dr. Christoph Kastl und Elmar Mitterreite führten die HIM-Lithografie an der atomistischen Grenze durch.
Prof. Alexander Holleitner, Dr. Christoph Kastl und Elmar Mitterreite führten die HIM-Lithografie an der atomistischen Grenze durch.

Prof. Alexander Holleitner und seine Gruppe leiten das Zentrum für Nanotechnologie und Nanomaterialien des Walter-Schottky-Instituts (WSI) der TUM. Wie der Name schon sagt, arbeiten sie mit Materialien im Nanometerbereich, z. B. mit zweidimensionalen Halbleitern und topologischen Quantenmaterialien. Sie wollen das volle Potenzial von Schaltungen im Nanometerbereich für optoelektronische und photovoltaische Anwendungen sowie für Kommunikations- und Informationstechnologien nutzen. Zu diesem Zweck ist ihre Ausstattung auf die Erforschung von Strukturen im Nanometerbereich spezialisiert, für die Manipulation und Untersuchung von Materialien auf atomarer Ebene.

In einer Reihe jüngster Publikationen in Nature Communications und in Nano Letters nutzte ein Team des WSI unter der Leitung von Prof. Holleitner und Prof. Finley die Helium-Ionen-Mikroskopie, um in zweidimensionalen Materialien, wie dem Halbleiter Molybdändisulfid (MoS2), atomare Defekte zu konstruieren. Wir sprachen im Interview mit Prof. Holleitner und Elmar Mitterreiter, einem Mitglied seines Teams und Co-Autor der Publikationen, über ihre Arbeit.

 

Welche Forschungsfragen haben Sie sich im Vorfeld dieser Arbeit gestellt?

Die Quantentechnologie gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es wird intensiv Forschung betrieben, um herauszufinden, wie in der Informationstechnologie die kleinsten Bausteine realisiert werden können und welches die richtigen Wirtsmaterialien für mögliche Quantentechnologien sind. Um industrielle Anwendungen umzusetzen benötigt man eine skalierbare, schnelle und hochpräzise Nanopatterning-Technik zur Bildung der kleinsten Funktionseinheiten im richtigen Material. Zweidimensionale Materialien kombinieren einzigartige elektronische und optische Eigenschaften mit einer natürlichen Begrenzung außerhalb der Ebene im atomaren Bereich und sind als Wirtsmaterialien ideal geeignet. Wir haben uns gefragt, wie wir Funktionalitäten auf atomarer Skala in 2D-Materialien, wie z.B. MoS2, implementieren können. Zum Beispiel, wie genau können atomistische, jedoch optisch aktive Defekte bei Großanwendungen hergestellt werden? Was sind die genauen physikalischen Vorgänge bei der Herstellung und Nutzung?

 

Wie macht das Helium-Ionen-Mikroskop (HIM) diese Art von Arbeit möglich?

Hochauflösendes Patterning von 2D-Materialien durch Helium-Ionen-Mikroskopie (HIM). Schematische Darstellung von einschichtigem Molybdändisulfid unter Helium-Ionen-Bestrahlung (rot) und die anschließende Untersuchung durch Rastertunnelmikroskopie (STM).
Hochauflösendes Patterning von 2D-Materialien durch Helium-Ionen-Mikroskopie (HIM). Schematische Darstellung von einschichtigem Molybdändisulfid unter Helium-Ionen-Bestrahlung (rot) und die anschließende Untersuchung durch Rastertunnelmikroskopie (STM).

Aufgrund der zweidimensionalen Beschaffenheit der untersuchten Wirtsmaterialien ist eine sehr oberflächenempfindliche Nanostrukturierungstechnik erforderlich. Außerdem sind hohe Präzision, Skalierbarkeit und eine hohe Patterning-Geschwindigkeit für potenzielle industrielle Anwendungen notwendig.

Das Helium-Ionen-Mikroskop (HIM) kombiniert alle erforderlichen Eigenschaften. Für die untersuchten Materialien ermöglicht der Wirkungsquerschnitt der He-Ionen und des MoS2 in Verbindung mit dem He-Ionen-Strahl im Sub-Nanometer-Bereich eine hochpräzise Abtragung einzelner Atome im MoS2-Wirtskristall.

Patterning-Prozess durch Helium-Ionen-Mikroskopie. Links: Grüne Linien stellen das gewünschte linienförmige Muster mit einer Teilung von 20 nm dar. Rechts: Resultierendes Linienmuster bei einschichtigem Molybdändisulfid aufgelöst mit einem Rastertunnelmikroskop (STM). Der Abstand zwischen den Linien ist genau 20 nm (wie gewünscht). Jedoch finden wir eine durchschnittliche Breite von etwa 8 nm bei jeder Linie. STM-Messungen, durchgeführt am Molecular Foundry (Berkeley, USA), zusammen mit Bruno Schuler und Alex Weber-Bargioni.
Patterning-Prozess durch Helium-Ionen-Mikroskopie. Links: Grüne Linien stellen das gewünschte linienförmige Muster mit einer Teilung von 20 nm dar. Rechts: Resultierendes Linienmuster bei einschichtigem Molybdändisulfid aufgelöst mit einem Rastertunnelmikroskop (STM). Der Abstand zwischen den Linien ist genau 20 nm (wie gewünscht). Jedoch finden wir eine durchschnittliche Breite von etwa 8 nm bei jeder Linie. STM-Messungen, durchgeführt am Molecular Foundry (Berkeley, USA), zusammen mit Bruno Schuler und Alex Weber-Bargioni.

Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse? Gab es überraschende oder besonders spannende Erkenntnisse?

Mit dem Helium-Ionen-Mikroskop (HIM) konnten wir mit hoher Präzision unter 10 Nanometer im 2D-MoS2 verschiedene Defektarten erzeugen. Durch den Vergleich dieser Zahl mit dem Strahldurchmesser der einfallenden He-Ionen (unter 1 Nanometer) fanden wir heraus, dass die Präzision der Defekterzeugung hauptsächlich durch die vom Trägersubstrat rückgestreuten Ionen begrenzt wird. Wir untersuchten die Defekte genauer und identifizierten die am häufigsten gebildeten Defekte. Anscheinend fungieren Schwefellücken als Emittenten einzelner Photonen, dem grundlegenden Baustein der Quantenkommunikation, unter anderem.

Rastertunnelmikroskopie (STM)-Bild von Molybdändisulfid, bestrahlt mit einer konstanten Dosis Helium-Ionen und gemessen am Molecular Foundry (Berkeley, USA), zusammen mit Bruno Schuler und Alex Weber-Bargioni. Der Beschuss erzeugt vier Defektarten, gekennzeichnet als I-IV. Geladene Defekte erscheinen zusätzlich als schwarze Kreise im Bild. Siehe E. Mitterreiter u.a. Nano Letters 2020.
Rastertunnelmikroskopie (STM)-Bild von Molybdändisulfid, bestrahlt mit einer konstanten Dosis Helium-Ionen und gemessen am Molecular Foundry (Berkeley, USA), zusammen mit Bruno Schuler und Alex Weber-Bargioni. Der Beschuss erzeugt vier Defektarten, gekennzeichnet als I-IV. Geladene Defekte erscheinen zusätzlich als schwarze Kreise im Bild. Siehe E. Mitterreiter u.a. Nano Letters 2020.

Wie lässt sich diese Arbeit potenziell anwenden?

Die Möglichkeit, atomare Defekte in großem Umfang mit hoher Präzision zu erzeugen, eröffnet verschiedene Anwendungen. Die erwähnte Emission einzelner Photonen ist für eine Vielzahl von Anwendungen in der Quantentechnologie grundlegend. Außerdem fanden wir mit Blick auf das Ganze heraus, dass einige der durch He-Ionen erzeugten Defekte auch katalytisch aktiv sind und verwendet werden können, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Dieser Prozess könnte für die Zukunft ein nachhaltiges und sauberes Energiekonzept möglich machen.

Grundsätzlich ermöglicht die hohe Präzision der Helium-Ionen-Mikroskopie (HIM) eine Forschung, von der Festkörperphysiker jahrzehntelang träumten.

Links: Optisches Mikroskopiebild von einschichtigem Molybdändisulfid mit der gewünschten Helium-Ionen-Struktur. Weiße Quadrate zeigen Bereiche mit konstanter Helium-Ionen-Dosis, die weißen Kreise stellen einzelne HIM-erzeugte Punktdefekte dar. Rechts: Fotolumineszenz-Karte des HIM-bestrahlten Bereichs, dargestellt durch das schwarze Rechteck (links). Schwarze Bereiche zeigen keine Defekt-Lumineszenz, grüne und blaue Bereiche stellen Defekt-Lumineszenz dar. Die Position der defektabhängigen Emission stimmt mit der räumlichen Position der von Helium-Ionen erzeugten Defekte komplett überein. Messungen von K. Barthelmi and L. Sigl (TUM).
Links: Optisches Mikroskopiebild von einschichtigem Molybdändisulfid mit der gewünschten Helium-Ionen-Struktur. Weiße Quadrate zeigen Bereiche mit konstanter Helium-Ionen-Dosis, die weißen Kreise stellen einzelne HIM-erzeugte Punktdefekte dar. Rechts: Fotolumineszenz-Karte des HIM-bestrahlten Bereichs, dargestellt durch das schwarze Rechteck (links). Schwarze Bereiche zeigen keine Defekt-Lumineszenz, grüne und blaue Bereiche stellen Defekt-Lumineszenz dar. Die Position der defektabhängigen Emission stimmt mit der räumlichen Position der von Helium-Ionen erzeugten Defekte komplett überein. Messungen von K. Barthelmi and L. Sigl (TUM).

Wo wollen Sie als Nächstes Forschung betreiben?

In den nächsten Schritten wollen wir die von He-Ionen hergestellten Emittenten einzelner Photonen besser verstehen. Wir müssen die genauen physikalischen Vorgänge vollständig verstehen, die die Emission einzelner Photonen erzeugen, um sie besser zu kontrollieren und ihr volles Potenzial bei Anwendungen in der Quantentechnologie auszuschöpfen, beispielsweise durch die Verwendung der Verflochtenheit von Photonenpaaren für Kommunikationsprotokolle. Wir befinden uns erst am Anfang der sogenannten zweiten Quantenrevolution, und es ist noch ein langer Weg, bis wir diese Quantenphänomene voll und ganz verstehen und steuern können.

Informieren Sie sich zu ZEISS-Helium-Ionen-Mikroskopen.

Erfahren Sie mehr

  • Atomistic positioning of defects in helium ion treated single layer MoS2. Nano Letters
  • Atomistic defects as single-photon emitters in atomically thin MoS2. APL Perspective
  • Scalable single-photon sources in atomically thin MoS2. arXivLabs
  • Robust valley polarization of helium ion modified atomically thin MoS2. 2D Materials
  • Site-selectively generated photon emitters in monolayer MoS2 via local helium ion irradiation. Nature Communications

Tags: Elektronen- und Ionenmikroskopie, Elektronenmikroskopie

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