Birder als Beruf

Der Datenmillionär

Eine Schafstelze bildete den Grundstock von Christopher Königs Datenvermögen. Gerade rechtzeitig zum Frühjahr 2007 realisierte der Student seine seit langem entwickelte Idee, Sichtungen von Vogelbeobachtern in seiner Heimat über das Internet zusammenzuführen. Sah in Ostwestfalen zuvor ein Hobby-Ornithologe eine seltene Art, startete eine Telefon- oder E-Mail-Kette. Das musste einfacher gehen, dachte sich Christopher König, fuchste sich in die Webseitengestaltung rein und entwickelte eine Homepage für Vogelbeobachtungen.

Unter der Woche studierte er zu dem Zeitpunkt Biogeographie in Trier, am Wochenende kartierte er zu Hause in Ostwestfalen für den Atlas Deutscher Brutvogelarten und beteiligte sich ehrenamtlich an Wasservogelzählungen. Er war bestens vernetzt und alle anderen Vogelbeobachter in der Region nahmen sein Internet-Angebot sofort dankbar auf. Fünf Jahre lang informierten sich die ostwestfälischen Birder auf der lokalen Plattform und schickten Christopher ihre neuesten Beobachtungen per Mail, die er alle gewissenhaft eintrug.

BEREITS IN DIESEN ERSTEN FÜNF JAHREN SAMMELTE ER TAUSENDE VON VOGELDATEN, DIE JEDOCH RELATIV BESCHEIDEN WAREN IM VERGLEICH ZU SEINEM SPÄTEREN DATENSCHATZ. BIS DAHIN WAR ES ABER NOCH EIN LANGER ENTWICKLUNGSWEG MIT VIELEN SPANNENDEN ERFAHRUNGEN.

Vom Großen Torfmoor bis nach Aserbaidschan
Angefixt von der Vogelbeobachtung war Christopher König schon sehr früh. Sein Großvater nahm ihn als kleinen Jungen auf lange Wanderungen durchs Große Torfmoor im nördlichen Nordrhein-Westfalen mit und erklärte ihm die Tier- und Pflanzenwelt. Der Vater züchtete exotische Vögel in Volieren im Garten, die sein Sohn mit versorgte.

Dennoch wäre Christopher als junger Mensch nie auf die Idee gekommen, etwas beruflich in Richtung Ornithologie anzustreben. So genau wusste er ohnehin nicht, was er werden wollte, aber Erdkunde und Biologie interessierten ihn in der Schule am meisten. Somit war Biogeographie als Studiengang in Trier perfekt geeignet.

Einige vogelbegeisterte Kommilitonen nahmen ihn zu Studienbeginn mit in die Pfälzischen Wälder und ins Moseltal. Sie zeigten ihm nach und nach, wie man seltenere Vogelarten bestimmt. An der Uni vertiefte er sein neu gewonnenes Wissen in Artenkenntnis-Kursen, Geländearbeiten und Exkursionen. Damit begann die typische Karriere als deutscher Ornithologe in mehreren studienbegleitenden Praktika.

Im Wattenmeer kartierte er für den Verein Jordsand im Hauke-Haien-Koog sowie im Rantumbecken auf Sylt, und in Aserbaidschan half er bei einem internationalen Zugvogelprojekt. An den Vogelwarten Radolfzell und Helgoland besuchte Christopher König Kurse zu Brutbiologie und Vogelberingung. Seine Diplomarbeit beschäftigte sich mit den Habitaten des Zwergschnäppers im Bayerischen Wald.

SEIT NUNMEHR SIEBEN JAHREN SITZT CHRISTOPHER KÖNIG AM RECHNER UND KOORDINIERT DIE GEWALTIGE DATENSAMMELSTELLE.

Das erste Jahr nach seinem Studium genoss König als freiberuflicher Kartierer und kam sehr viel rum. Neben Brut- und Rastvogelkartierungen am Festland, erfasste er vom Schiff und Flugzeug aus Zugvögel für ornithologische Gutachten zu Offshore-Windparkprojekten in der Nordsee. Danach ging es für mehrere Wochen zur Zugplanbeobachtung nach Ägypten an den Golf von Suez.

Professioneller Datenjongleur
Im Jahr 2010 wurde es dann ernst. Der Dachverband Deutscher Avifaunisten, kurz DDA, schrieb eine neu geschaffene Stelle aus. Ehrenamtlich arbeitete Christopher König schon länger für den Verband, nicht nur bei den Kartierungen zum Atlas Deutscher Brutvogelarten, sondern auch beim Erfassen rastender Wasservögel und zur Koordination von Schlafplatzzählungen der Kormorane in Nordrhein-Westfalen.

Bei der ausgeschriebenen Stelle ging es quasi um die bundesweite, große Variante von dem, was König als Hobby in Ostwestfalen für sein persönliches Netzwerk betrieben hatte. „Von einem solchen bundesweiten Portal hatte ich persönlich schon lange geträumt“, sagt König.

Kaum waren die technischen Herausforderungen gelöst, lief das Portal schon von selbst an. Werbung brauchte es kaum. Es war, als hätten alle darauf gewartet. Über die Mitgliedsverbände des DDA und die Information in den großen Naturschutzverbänden gewann das Portal in Kürze viele aktive, zuverlässige Datenlieferanten.

AUF REGIONALER EBENE HATTE ICH DURCH MEINE TECHNISCH LAIENHAFT UMGESETZTE HOMEPAGE ETWAS ÄHNLICHES KONSTRUIERT. NUN BOT SICH DIE GELEGENHEIT, BUNDESWEIT DEN INFORMATIONSFLUSS UNTER VOGELBEOBACHTERN ZU REVOLUTIONIEREN.

CHRISTOPHER KÖNIG

Ein reiner Schreibtischjob. Fehlt da nicht der Bezug zur Praxis nach der Zeit draußen im Feld? Tatsächlich übernimmt König zum Ausgleich kleinere Kartierungsaufträge, ist Mitglied der Deutschen Avifaunistischen Kommission und schreibt an vielen ornithologischen Zeitschriftenbeiträgen mit.

Einen großen Teil seiner Freizeit verbringt er zudem in der Natur. Dennoch werde ihm auch im Büro nie langweilig, schließlich habe er sein Hobby zum Beruf gemacht.

ICH FREUE MICH JEDEN TAG AUFS NEUE, ÜBER DIE MELDUNGEN VIELER TAUSEND VOGELKUNDLER STETS AKTUELL DAS VOGELKUNDLICHE GESCHEHEN MITVERFOLGEN ZU KÖNNEN. ES IST FASZINIEREND, WIE SICH MILLIONEN EINZELNER GELEGENHEITSBEOBACHTUNGEN ZU EINEM GESAMTBILD ZUSAMMENFÜGEN.

CHRISTOPHER KÖNIG

Gerade mit diesem Gesamtbild lassen sich Entwicklungen in Deutschlands Vogelwelt so schnell darstellen und auswerten wie nie zuvor. Das ist der tatsächliche Wert der Millionen an Daten.

Für Christopher König hat das Datenvermögen zudem einen hoch emotionalen Wert. Er bezeichnet sich selbst als „Twitcher“, als Sammler von Vogelbeobachtungen mit einer langen Artenliste.

Gibt es auf ornitho.de eine seltene Vogelart, die gemeldet wird und noch nicht auf seiner Deutschlandliste steht, packt er sein jederzeit griffbereites Fernglas, das Victory SF, sowie sein Spektiv und fährt los.

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